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Reform der Kirche Es wird von der Reformierten Kirche gesagt, dass sie eine «ecclesia semper reformanda» sei, eine Kirche, die sich im permanenten Zustand der Reformation befindet. Doch Reform ist ein Grundzug der Kirche überhaupt, von ihren Anfängen her.
Weil Kirche nie Selbstzweck ist. Heute haben wir in unserm Kanton keine Staatskirchen mehr, aber doch Kantonal- oder Volkskirchen, aufgebaut auf örtlichen Kirchgemeinden. Viele der gesellschaftlich relevanten Gebiete, wie Bildung, Gesetzgebung, Kulturförderung usw. hat der religionsneutrale Staat übernommen. Der Staat unterstützt noch die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen beim Steuereinzug und gewährt ihnen Zugang zu Schulen, Spitälern, Gefängnissen usw. Wie die Kirchen aber diese Funktionen an den Rändern des Lebens ausfüllt und wie sie ihre je spezifischen kirchlichen Aufgaben lösen, das ist ihre Angelegenheit ... Das Interesse an Religion ist geblieben, ja nimmt heute eher zu. Aber meisst suchen und finden die Leute andersweitig, was sie zur Befriedigung ihrer religiöse Bedürfnisse brauchen. Religiöse Orientierung geschieht über persönliche Begegnungen, über Bücher, Vorträge, Meditationsgruppen, über Fernsehen und Radio usw. - und in all den Bereichen sind die Kirchen zu einer Stimme unter vielen geworden. Mit ihrer Vision «Nahe bei Gott, nahe bei den Menschen» reagiert die St.Galler Kantonalkirche auf die gesellschaftlichen Veränderungen. Zeitlich befristete Weggemeinschaften sollen Träger innovativer Impulse werden. Die Angestellten erhalten die Gelegenheit, sich ihrer Begabung entsprechend weiterzubilden und zu spezialisieren. Der Pluralismus in der Kirche soll eingeübt und gefördert werden, vor allem durch regionale Zusammenarbeit. Gotthelfs Satz, wonach durch jede Generation des Christentum neu geboren werden muss, gehen prophetische Überlegungen voraus. Die Zeit der Aufklärung ordnet er den Flegeljahren der Menschheit zu, wo mit dem alten gebrochen wird, doch es soll eine Zeit des Geistes folgen, einer neuen Vernunft. Vor 200 Jahren träumte Gotthelf von eine Reform, die weit über innerkirchliche Verbesserungen und Anpassungen hinausgeht. Ich zitiere: «...Der Verstand war erweckt worden und ging dem blinden Glauben zu Leibe, dem die schlummernde Vernunft, das im Winterschlaf erstarrte Gefühl, nicht zur Seite standen. Der Verstand, den die Flügel nicht über das Irdische tragen, erhob ein Triumpfgeschrei, gebärdete sich üppig und übermütig wie ein Jüngling im Flegelalter. ... Das Christentum aber, das viele sterbend glaubten, hat das Leichentuch, in das man es bereits hüllen wollte, abgeworfen und erhebt sich in ewig junger Herrlichkeit. Und gerade die Wissenschaften, mit denen man ihm ins Grab läuten wollte, gerade die haben auf die merkwürdigste Weise Gott verklärt, als einmal die Vernunft auch ihr Wort dazu sprach und das religiöse Gefühl an der lebendigen Anschauung unwillkürliche erwacht war ... Das Christentum bleibt ewig das gleiche, aber wie es in jedem Menschen neu geboren wird, so wird es auch neu geboren in jeder Zeit.» Ist er erlaubt, dieser Vision anzuhängen? Dem Traum, wo das Christentum - wie damals im Mittelalter, aber auf der Ebene individueller Freiheit, - wieder am Puls des Lebens ist, inmitten der Gesellschaft, der Bildung, der Kunst. Für mich spricht diese Vision nicht gegen unsere Kirchen. Denn Kirchen sind immer nur Wegbereiter für das Kommen des Gottesreichs, für immer neue Formen der Offenbarung. Sie müssen ihren Dienst so gut wie möglich tun bis auf die Zeit, wo das Evangelium neu in die Herzen einbricht und Kirche vielleicht in einer Art und Weise neu entsteht, wie wir sie jetzt noch gar nicht kennen können. Und je klarer in der Kirche das Bewusstsein wächst, wie das Christentum der Zukunft gestaltet sein will, desto klarer können sie sich in den Dienst dieses Übergangs stellen. Lange und zum Teil bis heute haben die Kirchen sich gegen die Aufklärung und Wissenschaft gestellt. Heute repräsentieren sie in der Gesellschaft das, was den Wissenschaften nicht zugänglich ist. Aber diese Arbeitsteilung ist nicht nur unbiblisch. Sie legitimiert eine geistlose Wissenschaft und eine weltlose Religion. Auch die Menschen selbst sind damit gespalten in eine weltliche und religiöse Sicht der Welt und die beiden Sichtweisen können immer schwerer einander befruchten und beleben. Sollte es möglich sein, dass, wie Gotthelf sagt: «gerade die Wissenschaften, mit denen man dem Christentum ins Grab läuten wollte, auf die merkwürdigste Weise Gott verklären werden - wenn die Vernunft auch ihr Wort dazu spricht und das religiöse Gefühl an der lebendigen Anschauung unwillkürliche erwacht ...? Vielleicht ist die Zeit noch nicht reif dazu. Doch es brodelt an allen Orten. Es tut sich etwas, aber es lässt sich noch nicht genau sehen, wie der neue Durchbruch sich zeigen wird. Nur einige Kriterien will ich hier noch nennen, welche ein Christentum der Zukunft prägen könnten, Kriterien, welche aus der neuen Zeit heraus sich abzeichnen.
Das Christentum wird sich gegenüber den modernen Wissenschaften so positionieren können, dass diese sich damit kritisch und innovativ herausgefordert fühlen, sich selbst in Bezug zu stellen zu den Grundfragen des Lebens. Das Christentum wird getragen werden von Laien, die ihre spezifischen Kenntnisse im neuem Lichte der biblischen Verheissungen erkennen und pflegen werden - in Politik, Wissenschaft, Technik, Landwirtschaft, Gewerbe, Kunst usw, «Das Christentum bleibt ewig das gleiche, aber wie es in jedem Menschen neu geboren wird, so wird es auch neu geboren in jeder Zeit.» Andreas Schwendener, St.Gallen Präsident des Evang.-ref. Forums St.Gallen
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