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Zur Geschichte der Eheberatung

(Der Text stammt aus dem Buch von Hans Martin Stückelberger: 50 Jahre Freie protestantische Vereinigung St.Gallen, 1919-1969, Seite 53–67)

«Mängel, Notstände und Bedürfnisse pflegen sich so lange und so gebieterisch zur Geltung zu bringen, bis endlich von irgendeiner Seite her Abhilfe zu schaffen versucht wird. So kam es, dass verantwortungsbewusste evangelische Christen nicht mehr länger an all den Problemen vorbeigehen konnten, die sich aus der zunehmenden Zahl unguter, brüchiger und zerfallener Ehen fortwährend ergaben und nachgerade eine besondere Aufmerksamkeit zu erheischen begannen.

Den ersten aktenmässig erfassbaren Ausdruck fand der Gedanke an die Schaffung einer protestantischen Eheberatungsstelle in einem vom 26. April 1943 datierten und an Fräulein Dr. iur. Heidi Seiler gerichteten Brief, in welchem Henry Tschudy als Präsident der Freien protestantischen Vereinigung die Adressatin bittet, «an einer Sitzung unserer Grossen Kommission ein einleitendes, kurzes Referat zu halten».

Schon am 10. Mai ist Fräulein Dr. Seiler dieser Bitte nachgekommen und hat im Saal des Hotel Hecht in einem vorzüglichen Expose die Gründung einer protestantischen Eheberatungsstelle in die Wege geleitet. Die unmittelbare Folge des Vortrages von Heidi Seiler bestand in der Bildung einer vorbereitenden Kommission, die mit der Ausarbeitung von Richtlinien beauftragt war und aus den Herren Dekan R. Pestalozzi, Dr. iur. O. Lutz und Dr. med. H. Cunz zusammengesetzt wurde. Das Ergebnis ihrer sogleich in Angriff genommenen Vorarbeit ist das folgende Statut:

1. Die evangelischen Kirchgemeinden St.Gallen, Tablat und Straubenzell gründen eine protestantische Eheberatungsstelle und stellen gemeinsam die für ihren Betrieb erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung.

2. Die Eheberatungsstelle bezweckt, den Angehörigen der protestantischen Konfession in Ehesachen Rat zu erteilen und Hilfe zu gewähren.

3. Sie sucht ihrer Aufgabe von der auf die Bibel gegründeten Auffassung der Ehe aus gerecht zu werden.

4. Die evangelischen Kirchgemeinden der Stadt St.Gallen übertragen die Betreuung der Eheberatungsstelle der Freien protestantischen Vereinigung.

5. Die Kommission der Freien protestantischen Vereinigung wählt eine geeignete Persönlichkeit als Eheberater und unterstellt dessen Tätigkeit einer besonderen Aufsichtskommission.

6. Sie bestimmt im Einvernehmen mit den Kirchgemeinden die Höhe des Gehaltes und stellt dem Eheberater ein Büro zur Verfügung.

7. Die Hilfeleistung der protestantischen Eheberatungsstelle geschieht für die protestantischen Kirchgenossen der drei städtischen Kirchgemeinden unentgeltlich. Für Auswärtige kann ein Tarif aufgestellt werden.

8. Die Tätigkeit des Eheberaters vollzieht sich, wo es ihm wünschbar erscheint, in Verbindung mit Ärzten, Juristen und Pfarrern, welche sich zur Mitarbeit bereit erklären.

9. Im einzelnen wird die Tätigkeit des Eheberaters durch ein Reglement geordnet.

 

Finanzierungsfragen

So speditiv die Angelegenheit am Anfang betrieben worden war, so langsam ging sie im Jahre 1944 vonstatten. Am 20. Februar 1945 wandte sich Herr Tschudy in einem Schreiben an Dekan Pestalozzi, das mit den Worten beginnt: «Ich bitte Sie höflich, Ihr Möglichstes zu tun, um unsere Eheberatungsstelle unter Dach zu bringen» und fügt dann bei, dass die Kirchgemeinden die nötigen Beiträge in ihre Budgets aufzunehmen bereit seien. Und in einem Brief vom 9. März 1945 an Kirchenrat Robert Sturzenegger, Präsident der evangelischen Kirchenvorsteherschaft Tablat, stellt Herr Tschudy fest, «dass die Kirchgemeinde Tablat das Verdienst in Anspruch nehmen darf, den beiden anderen Gemeinden (gemeint ist die Finanzierung) «den Weg gewiesen zu haben».

Es scheint uns aus gewissen Gründen bemerkenswert, dass sowohl die Initiative zur Gründung einer Freien protestantischen Vereinigung als auch die Ermöglichung der Schaffung einer protestantischen Eheberatungsstelle von der Kirchgemeinde Tablat ausgegangen ist! Am 19. März 1945 konnte Dekan Pestalozzi dem Präsidenten der Vereinigung berichten, dass die vorbereitende Kommission «schon vor längerer Zeit mit Herrn Pfarrer R. Hirzel in Bühler sich in Verbindung gesetzt» und sich dieser «nach langen Verhandlungen, das Problem einer späteren Pensionierung einigermassen befriedigend zu lösen», entschlossen habe, «eine Berufung als Eheberater an die neu zu gründende Stelle als Eheberater anzunehmen.» «Wir schlagen Ihnen aus voller Überzeugung vor, Herrn Pfarrer Hirzel als Eheberater zu wählen.»

 

Wahl des ersten Eheberaters: Pfarrer R. Hirzel (1945-1953)

Unter dem Datum des 1. Mai 1945 konnte der Präsident der Freien protestantischen Vereinigung Herrn Pfarrer Hirzel von der einstimmigen Wahl durch die Grosse Kommission der Vereinigung Kenntnis geben und die Eröffnung der Praxis auf den 1. August in Aussicht stellen. Aus dem gleichen Brief erfahren wir, dass die Besoldung des Eheberaters auf 10 940 Franken angesetzt worden ist. Die Aufsichtskommission, die anstelle der vorbereitenden getreten ist, bestand nunmehr aus Herrn Dekan Pestalozzi als Präsident, Herrn Dr. Lutz als Kassier, Herrn Lehrer Baumgärtner als Aktuar und Herrn Dr. med. Cunz und Frau Reich-Kunz als weiteren Mitgliedern. Die Kirchgemeinde Sankt Gallen C hatte an die Finanzierung der Einrichtung einen jährlichen Beitrag von 8000, die Gemeinde Tablat einen solchen von 4000 und Straubenzell einen von 3000 Franken zugesichert. Das waren die Vor-aussetzungen, unter denen am 13. August 1945 die protestantische Eheberatungsstelle St.Gallen ihr Sprechzimmer öffnen konnte.

 

Beratung, Kurse, Vorträge

Kaum war der Eheberater an der Kugelgasse 3 eingezogen, so stellten sich auch schon die ersten Ratsuchenden ein. Für die kurze Spanne Zeit vom 13. August bis zum 31. Dezember verzeichnet der Rechenschaftsbericht des Eheberaters 148 Besprechungen mit einer Unterredungsdauer zwischen ein bis zweieinhalb Stunden. 1946 haben sich 221 Personen an Pfarrer Hirzel gewendet, der seine Aufgabe in 395 Aussprachen zu bewältigen hatte. In 101 Fällen blieb es bei einer einzigen Inanspruchnahme, aber in je einem Fall waren 14, dann 16 und sogar 25 Unterredungen erforderlich. Die Bezeichnung «Eheberatungsstelle» bezieht sich übrigens nicht einmal in erster Linie auf die Beratung von Ehepaaren, sondern auf eine freundschaftliche Hilfe an jungen Leuten, die zu heiraten gedenken. Tatsächlich sind denn auch etwas mehr als die Hälfte der Gesprächsteilnehmer Brautleute gewesen. Um deren möglichst viele zu erfassen, ging der Eheberater zur Durchführung von Kursen über, deren erster mit Hilfe des CVJM im Hotel Johannes Kessler verwirklicht werden konnte und von 120 Teilnehmern besucht wurde. Es handelte sich um vier Abende, die im Laufe von vier Wochen abgehalten wurden und einer späteren Fortsetzung Bahn gebrochen haben.

Zu den Kursen gesellten sich bald auch die Vorträge, Mütter- und Elternabende, «bei denen», so schreibt Pfarrer Hirzel in seinem Bericht über das Jahr 1947, «die Väter meist spärlich vertreten sind, die bekanntlich immer schon wissen, was sie zu tun haben!» Rechnet man zu dieser Ausweitung der Arbeit noch die Abfassung von 231 Briefen und das Führen von ganzen 1380 Telephongesprächen, die sich in der Statistik zum Jahre 1948 erwähnt finden, so wird jedermann zugestehen müssen, dass die geschaffene Einrichtung schon nach dreijährigem Bestehen sozusagen auf vollen Touren gelaufen ist und die finanzielle Belastung der drei Kirchgemeinden bei weitem gerechtfertigt hat. Immerhin belief sich diese nun doch auf 16-17 000 Franken im Jahr, sämtliche Auslagen, die äusserst gering gehalten wurden, miteinbezogen. Kritisch musste indessen die finanzielle Situation in dem Augenblick werden, in welchem es dem gesundheitlich von Anfang an schwer angeschlagenen Rudolf Hirzel nicht mehr möglich sein werde, seinen Posten auszufüllen, zumal dessen Inhaber zufolge einer Reihe von besonderen Umständen und einmaligen Komplikationen keiner Pensionskasse angehörte und das junge Werk sich bereits mit dem Gedanken an einen Nachfolger von Pfarrer Hirzel und zugleich mit dessen Ruhegehalt vertraut zu machen hatte.

Im Herbst 1952 sah sich Pfarrer Hirzel tatsächlich genötigt, in Anbetracht seines bedenklichen Gesundheitszustandes seine Demission einzureichen, um womöglich irgendwo am Genfersee ein günstigeres Klima zu finden. Sechs Jahre hatte der vorzügliche Mann unter Aufbietung seiner letzten Kräfte das Amt eines protestantischen Eheberaters versehen, aus seiner Sicht eine noch ganz respektable Zeit. Aber aus der Sicht der finanzierenden Kirchgemeinden war es eine kurze Frist gewesen. Seit 1947 war der Eheberater mit 12 225 Franken honoriert worden, und die Beiträge der Kirchgemeinden hatten dementsprechend erhöht werden müssen. St.Gallen C hatte 8800, Tablat 4400 und Straubenzell 3200 Franken bewilligt, als die Frage der Pensionierung Pfarrer Hirzels schon aktuell zu werden begann. Eine andere Kasse als die der drei städtischen Kirchgemeinden stand nicht zur Verfügung, und so war es viel und wenig zugleich, als man sich auf eine monatliche Pension von 410 Franken einigte, die genau derjenigen eines Weichenwärters gleichkam, wie Pfarrer Hirzel in einem Brief etwas bitter bemerkt, indem er hinzufügte: «nun, der weichenwärter passt ja gar nicht schlecht. weichenstellen war mindestens in den letzten sieben Jahren mein hauptgeschäft, wenn auch ohne mechanische hebel oder elektrische schaltung und erst noch mit dem nachteil, dass ich nur in einem teil der Fälle zu sehen vermochte, ob der zug nun aufs richtige geleise kam.» (Der Briefschreiber hatte die einzige Untugend, sämtliche Wörter klein zu schreiben!) Es ist dann freilich nicht ganz bei diesen 410 Franken geblieben, sowenig die Erhöhung dem Pensionierten nun ein sorgenfreies Leben im allerbescheidensten Rahmen ermöglicht hätte.

 

Dr. med. B. Harnik (1953-1960): Ein Arzt als Berater

Die Suche nach einem Ersatz für Pfarrer Hirzel blieb der Aufsichtskommission erspart. Dekan Pestalozzi war in der Lage, ihr in der Person des Dr. med. Bernhard Harnik mit einem sehr einleuchtenden Vorschlag zu dienen, um gleichzeitig einem emigrierten, gut protestantischen Arzt eine Existenz zu verschaffen. Nun sollte, oder wollte allerdings der ausländische Arzt besser honoriert werden als der einheimische Pfarrer, so dass man ein Jahresgehalt von 18 000 Franken für den Eheberater ins Budget aufnehmen und daher auch an die Subvenienten gelangen musste mit dem fast Jahr um Jahr sich wiederholenden Gesuch um immer grössere Beiträge. Was blieb anderes übrig, als sie zu gewähren! Die innere Stadt war nun bei 10 000, Tablat bei 5000 und Straubenzell bei 3470 Franken angelangt.

Dr. med. B. Harnik ist am 16. März 1953 von der Grossen Kommission der Freien protestantischen Vereinigung zum evangelischen Eheberater gewählt worden und hat die Stelle am darauffolgenden 1. Mai angetreten. Die Rechenschaftsberichte, die Dr. Harnik jedes Jahr dem Präsidenten der Aufsichtskommission einzureichen hatte, zeichnen sich durch ihre Länge und Gründlichkeit aus und entwickelten sich im Lauf weniger Jahre zu ganzen Abhandlungen. Der erste dieser Berichte, umfassend die acht Monate vom 1. Mai bis 31. Dezember 1953, erwähnt 1644 Besprechungen für 988 Fälle von Konflikten, Seelsorge oder Vorberatungen. Wir erfahren, dass der meist ungefähr einstündigen Unterredung mit dem einen Gatten eine ebensolange mit dem andern und schliesslich eine dritte mit beiden Teilen zu folgen pflegten. Wir lesen von 142 Vorträgen, die der Eheberater ge-halten, von 513 Briefen, die er geschrieben und von 1007 Telephongesprächen, die er geführt hat.

Dass Dr. Harnik sich auch auf die äussere Organisation seiner Aufgabe vortrefflich verstand, geht schon aus einem diesbezüglichen Passus seines ersten Berichtes hervor, in dem es heisst: «Vom technischen Standpunkt aus sind nun alle Schwierigkeiten der Eheberatungsstelle gelöst: Im Eingangszimmer (wo übrigens ein Büchertisch mit Eheliteratur steht) gibt eine Tafel mit Zeitscheibe dem Eintretenden Bescheid. Ohnehin erfolgen die Sprechstunden nur noch nach telephonischer Vereinbarung. Diese trifft nun meistens meine Frau, indem die Telephonanrufe während der Sprechstundenzeit automatisch auf die private Telephonnummer umgeleitet werden können. Nur von 11-12 Uhr, wo ich niemanden empfange und meine Notizen über die Besprechungen nachholen kann, empfange ich direkte Anrufe. Es gibt jetzt also ungestörte Sprechstunden.»

Im Revisorenbericht vom 15. Februar 1954 an die Aufsichtskommission figuriert auch zum erstenmal ein Beitrag des evangelischen Kirchenrates des Kantons St.Gallen in der Höhe von 2000 Franken. Die Ausgaben beliefen sich gleichzeitig auf rund 22 400 bei einem Vermögensbestand von 849 Franken. Die evangelische Kirche hat sich ihre Hilfsbereitschaft an zumeist doch recht unkirchliche Leute ein finanzielles Opfer kosten lassen, das ihr in seiner alljährlichen Wiederkehr alles andere als leicht gefallen und von denen, um deretwillen es gebracht wurde, kaum entsprechend gewürdigt worden ist, wie das ja auch auf anderen Gebieten der Fall zu sein pflegt. Indessen begehrt die Kirche mit ihrem Dienst kein Geschäft zu machen oder auf einen Dank Anspruch zu erheben, höchstens auf ein gerechtes Urteil von seiten ihrer unermüdlichen Kritiker.

Jene «Abhandlungen», die Dr. Harnik in Gestalt von Jahresberichten abzufassen pflegte und die sogar einer Diplomarbeit an der Hochschule für Wirtschaft und Sozialwissenschaft zur Ehre gereichen müssten, verdienen es, von einem weiteren Kreis als nur von demjenigen einer dreiköpfigen Aufsichtskommission zur Kenntnis genommen zu werden. Es wäre ein Jammer um den Aufwand von Mühe, wenn diese Dokumente einfach in einem Dossier begraben zu liegen hätten. Wir möchten bei dieser Gelegenheit wenigstens den Berichten über die Jahre 1955 und 1957 einige Beachtung schenken. 1955 konnte die protestantische Eheberatung der Stadt ihr zehnjähriges Bestehen buchen. Dr. Harnik hat das auch getan und hernach zu einer eingehenden Darstellung seiner Jahresarbeit ausgeholt. Dem Bericht sind vier aufschlussreiche Tabellen beigefügt, deren erste in 1175 Zahlen über alle Verhältnisse der Hilfesuchenden Auskunft gibt, wobei für jeden Monat eigene Kolonnen errichtet sind, zum Beispiel:

Hier muss die Tabelle aus der Kopie eingefügt werden.................

Das sind nun 39 Zahlen von 1175! Sie vermitteln aber doch schon einen kleinen Begriff vom Umfang der geleisteten Arbeit. Auch das Verhältnis der neuen Fälle zu den alten - sie machen 42 Prozent aus - dürfte nicht ohne Interesse sein, sowenig wie die übrigen Kolonnen, in denen die eigentliche Eheberatung von der Vorbereitung getrennt wird, desgleichen die jeweilige Herkunft der Petenten aus den verschiedenen Kirchgemeinden und was sonst noch auseinanderzuhalten ist. Wir erfahren, dass von 544 Ehepartnern 124 sich ernsthaft zum christlichen Glauben bekannten, in 215 Fällen nur einer von beiden Ehepartnern christlich gesinnt war und 205 Eheleute keine Beziehung zur Kirche unterhielten. So schwierig und fragwürdig es nun sein mag, in bezug auf den Glauben Kategorien aufzustellen, so ist ein unge¬fährer Anhaltspunkt doch besser als gar keiner oder ein völlig falscher, denn der «ungefähre» Begriff ist ein gewisser Schutz gegen verallgemeinernde Behauptungen, die so lange die Runde machen, bis sie endlich an den Klippen einiger Tatsachen in die Brüche gehen.

Auch der Prozentsatz der Mischehen ist natürlich von Interesse. In 82 Fällen war der Mann protestantisch und in 50 die Frau. Das ergibt 132 Mischehen, zu denen sich noch 60 rein katholische gesellen, deren Glieder sich einmal an den protestantischen Eheberater gewendet haben. Von insgesamt 1160 Besprechungen haben 354 (31 %) mit Männern, 676 (58 %) mit Frauen, 119 (10 %) mit Ehepaaren und 11 (1 %) mit Kindern stattgefunden. Im weiteren findet sich auf der ersten der vier Tabellen auch eine Rubrik für die in jedem Monat gehaltenen Vorträge, geschriebenen Briefe und geführten Telephongespräche. Wir begnügen uns mit der Wiedergabe des Jahresergebnisses, das eine Bilanz aufweist von 121 Vorträgen, 495 Briefen und 904 telephonischen Beratungen. Rechnet man dazu noch 139 Aufklärungslektionen an nahezu sämtlichen Schulen der Stadt, Abendvorlesungen an der damaligen Handels-Hochschule, sehr häufige Hausbesuche, die Herausgabe von Schriften zur Lebenskunde und sexuellen Aufklärung und endlich die Teilnahme an schweizerischen und ausländischen Tagungen, so weiss man kaum, wie eine derartige Beanspruchung zeitlich überhaupt zu bewältigen gewesen ist, wobei aber die alte Erfahrung nur von neuem bestätigt wird, dass die Zeit ein höchst geheimnisvolles Gefäss darstellt, das sich für den einen Menschen fast beliebig stark ausweitet und sich für einen andern wie in einen zusammengeschrumpften Beutel verengt.

 

Ursache der Konflikte

Der Arzt Dr. Harnik hat es sich nicht versagt, auf einer zweiten Tabelle in 18 Kolonnen die Ursachen der ehelichen Konflikte zu diagnostizieren und wiederum in Prozenten anzugeben. Wir greifen einige dieser Zahlen heraus. Die Statistik erstreckt sich auf 544 Fälle. Davon werden 153 (28 %) auf Psychopathie, 114 (21 %) auf Ehe¬bruch, 90 (17 %) auf Gegensatzschwierigkeiten, 37 (7 %) auf Neu-rose und Hysterie, 20 (4 %) auf Neurose und Finanzen, 17 (3 %) auf Alkoholismus, je 14 (2 %) auf Geburtenregelungsprobleme, Frigidität und Differenzen mit den Schwiegereltern und die restlichen auf neun weitere Ursachen zurückgeführt, wobei die Unfruchtbarkeit mit zwei Fällen an letzter Stelle rangiert. Die ganze Übersicht weist nicht weniger als 456 Zahlen auf. Eine dritte Tabelle mit 336 Zahlen be¬zieht sich auf die Zusammenstellung der Berufsgattungen. An der Spitze stehen hier die «besser bezahlten Arbeiter» mit 149 (27%) von 544 Sprechstundenbesuchern. Es folgen die Angestellten mit 129 (23 %), Vertretern, die Kaufleute mit 68 (13 %), die Gewerbetreibenden mit 37 (7 %), die Hilfsarbeiter mit 28 (5 %) und so fort, bis zu den Industriellen und Unternehmern, die noch mit einem Prozent figurieren, was nicht erstaunlich ist, denn erstens sind die Industriellen nicht besonders zahlreich, und zweitens gehören sie nicht jener Bevölkerungsschicht an, die eine unentgeltliche und dazu noch konfessionelle Hilfsstelle in Anspruch zu nehmen geneigt ist.

Die vierte und letzte Tabelle befasst sich mit Vorbereitungsgesprächen, die vom Eheberater mit solchen Leuten geführt wurden, die noch keine endgültige Verbindung eingegangen hatten. An diesen Vorberatungen ist der Prozentsatz kirchlich gesinnter Protestanten viel höher als bei den übrigen Gesprächsteilnehmern. Die Tabelle gibt Auskunft über 237 Fälle, von denen 53 (22°/0) sich in die Kategorie «Lebensschwierigkeiten» (Sinn des Lebens, verfehlter Beruf, Lebensmüdigkeit) eingereiht finden. 47 Verlobte (20 %) sind an der Wahl des Ehepartners irre geworden, 31 (13 %) haben mit sexuellen Problemen zu kämpfen und 9 (4 %) befürchten die Folgen einer Mischehe. Die ganze Statistik besteht in 312 Zahlen, so dass die Ergebnisse der gesamten Jahresarbeit in nicht weniger als 2279 Zahlen zur Darstellung gelangt, die sicher nicht nur der Aufmerksamkeit vollamtlicher Eheberater wert sind.

Der Bericht über das Jahr 1957 ist indes noch um einiges ausführlicher, wenn sich Dr. Harnik auch nur auf eine einzige statistische Tabelle beschränkt und dafür den vorausgehenden Text umfang reicher gestaltet hat. Wir greifen daraus als wesentlich die zunehmende Beanspruchung der Eheberatungsstelle durch auswärtige Sprechstundenbesucher heraus, sind doch die Angehörigen der drei städtischen Kirchgemeinden darunter nur noch mit rund 50 Prozent vertreten. Eine volle Hälfte Hilfesuchender stammte aus dem übrigen Kanton St.Gallen und aus den Kantonen Thurgau und Appenzell, wenn nicht sogar von weiter her. Um ein möglichst zutreffendes Bild von sämtlichen um die Ehe kreisenden Probleme zu vermitteln, rubriziert der Berichterstatter sie in 46 Sparten, unter denen diejenige der «Anpassungsschwierigkeiten von Eheleuten mit psychischen Belastungen oder Besonderheiten» an erster Stelle figuriert, die «mit 20 Prozent des Totals die Hauptgruppe darstellt». Es folgen die durch Ehebruch belasteten Fälle, diejenigen mit einem gestörten Sexualleben, die Haltlosen, die Trinkerehen, die Mischehen-Schwierigkeiten und so fort. - Viel stärker als in früheren Jahren ist der Eheberater auch zur Durchführung von Kursen verpflichtet worden, deren er sieben gehalten hat, davon einen in Schiers, einen in Nesslau, einen auf dem Rügel im Aargau und einen in Magliaso. Auch die schriftstellerische Tätigkeit Dr. Harniks hatte sich inzwischen bedeutend ausgeweitet und in einer stattlichen Reihe von Broschüren und Artikeln ihren Niederschlag gefunden, während sich gleichzeitig die Zahl der Vorträge auf 147 erhöht hat, ausser den 144 Schulstunden, durch welche die reifere Jugend rechtzeitig erfasst werden wollte.

 

Harnik zieht weiter

Der letzte Jahresbericht von Dr. med. B. Harnik August 1960» datiert und beginnt mit den Worten: ist von «Ende «Sehr geehrter Herr Präsident! Als ich Mitte Januar 1959 im Jahresbericht für das Jahr 1953 u. a. schrieb: «Die Zunahme gesamtschweizerischer Jugendarbeit bedingt allerdings ebenfalls einen Zuwachs an persönlichen Beratungen jugendlicher aus entfernteren Kantonen» hatte ich keine Ahnung, dass diese Zunahme zu einer Verlegung meines Wohn- und Arbeitssitzes nach Zürich und zur Demission von meinem St.Galler Amt führen würde.»

Der Eheberater unserer Stadt war denn also in seiner siebenjährigen Tätigkeit so bekannt geworden, dass er an den Aufbau eines eigenen Wirkungskreises denken und auf eine fixe Anstellung verzichten konnte. Für St.Gallen bedeutete dieser Schritt aus dem kantonalen Bereich in einen schweizerischen einen schmerzlichen Verlust, der sich nicht leicht ausgleichen zu lassen schien, hatte doch der bisherige Amtsinhaber eine Einladung erhalten und angenommen, am Radio Zürich einen Vortragszyklus über «Erziehung und Selbsterziehung zur Ehe» zu übernehmen, der hernach als Buch in den Handel gekommen ist. In den acht Monaten vom Januar bis August 1960 verzeichnet der Bericht von Dr. Harnik 493 Besprechungen mit 405 Ratsuchenden, wobei die Zahl der dem Abschluss der Ehe vorausgehenden Unterredungen erfreulicherweise schon 60 Prozent aller Ge-spräche ausmachte. Die Zahl der erteilten Schulstunden belief sich nur schon bis zu den Sommerferien auf 401, während die deutsche Ausgabe der Schrift «Zwischen 16 und 25» in dritter Auflage erscheinen konnte. Dr. Harnik durfte in der Tat mit dem Ergebnis seiner Arbeit in St.Gallen zufrieden sein und die Freie protestanti¬sche Vereinigung desgleichen.

 

Pfarrer Jakob Staehelin  1960-1967

Das Problem einer geeigneten Nachfolge hat sich zur grossen Erleichterung der Kommission rascher lösen lassen als anfänglich befürchtet werden musste, da Pfarrer Jakob Staehelin in Zug, der bereits aus eigenem Antrieb einen Eheberaterkurs absolviert hatte, einer Berufung an die frei gewordene Stelle gerne Folge leistete und sie am 1. September 1960 auch übernahm. Seit der Errichtung eines Kirchgemeindehauses für das Stadtzentrum an der St. Magnihalde 15 konnte auch der Eheberater daselbst seine eigenen Räume beziehen, die, im Bauplan zum vorneherein vorgesehen, ihrem Zweck entsprechend angelegt und im Sommer 1958 bezogen worden waren.

Ein Amt, das in weitem Umkreis nur von einer einzigen Persönlichkeit bekleidet wird, erhält naturgemäss durch diesen einen Mann auch das ihm entsprechende Gepräge. Pfarrer Hirzel hat seine Aufgabe in einer völlig anderen Weise in Angriff genommen, als das bei Dr. med. Harnik dann der Fall gewesen ist, trotzdem sie in der inneren Glaubenshaltung wenig voneinander abgewichen sein dürften. Dasselbe gilt von Pfarrer Staehelin. Auch er kam, wie sein Vorvorgänger, aus einer langjährigen pfarramtlichen Gemeindearbeit an seinen neuen Posten und stand bei dessen Antritt schon im 59. Altersjahr. Von der Abfassung von Jahresberichten im Umfang der Harnik'schen Ab-handlungen konnte selbstverständlich keine Rede mehr sein, und es bestand auch kein Bedarf daran, nachdem die statistische Darstellung einmal präsentiert worden war. Staehelin konnte sich also kürzer fassen und hat es getan. Schon aus seinem ersten Resume, das die Zeit vom 1. September 1960 bis zum 31. Dezember 1961 umfasst, erfährt der Leser die bemerkenswerte Tatsache, dass von den zur Beratung erschienenen Ehepaaren das älteste 33 Jahre und das jüngste acht Wochen verheiratet war. Der Bericht verzeichnet 41 vom Eheberater gehaltene Vorträge, darunter zwei anlässlich einer Rüstzeit der deutschen Bundeswehr für Berufsoffiziers-Ehepaare! Die Zahl der Sprechstundenbesucher beziffert sich 1961 auf 568, wovon 369 zum erstenmal an die Tür geklopft haben. Umständehalber hat Pfarrer Staehelin einen beträchtlichen Teil seiner Zeit in pfarramtlichen Funktionen wie Predigten, Kinderlehren und Religionsstunden in¬vestieren müssen, da die vakanten Pfarrstellen in der Stadt und auf dem Land oder der Bedarf an Ferienvertretungen die Inanspruch-nahme eines neu zur Verfügung stehenden Theologen nahe genug zu legen pflegte. Anstelle statistischer Angaben lassen wir Staehelin lieber in einem kleinen Abschnitt aus dem Bericht über das Jahr 1962 zum Wort kommen, darin sich eine Erfahrung ausspricht, die leider nur zu häufig gemacht werden kann.

Staehelin schreibt «Oft ist auch eine grosse allgemeine Unkenntnis, die den bestehenden Schwierigkeiten zugrunde liegt: Man hat eine falsche oder überhaupt keine Vorstellung von dem, was in dem Wort «Ehe» enthalten ist ... So tiefgründig und weiträumig heute das spezifisch fachliche Wissen reicht, so platt und oberflächlich ist oft die Kenntnis der einfachsten Regeln menschlichen Zusammenlebens.» Was die Möglichkeit einer wirklich hilfreichen und sanierenden Beratung anbetrifft, so schätzt sie Staehelin doch erfreulich hoch ein, fügt aber einleuchtend bei: «Selbst da, wo der Bruch nicht mehr vermieden werden kann, ist es oft möglich, die stärkeren Stösse aufzufangen oder die Verhandlungen für alle Teile in erträglichere Bahnen zu leiten.»

 

Personelles in der Aufsichtskommission

1959 hatte Kirchenratspräsident Pfarrer R Pestalozzi, der uns am 2. September 1963 im Kantonsspital von Chur mitten aus segensreicher Arbeit entrissen worden ist, das Präsidium der Aufsichtskommission an Dr. med. H. Cunz abgetreten, während als neues Mitglied der spätere Dekan P. Candrian in das Aufsichtsorgan gewählt wurde. Seit 1946 hatte Dr. O. Lutz in verdankenswerter Weise die Rechnung für die Eheberatungsstelle geführt, bis er 1964 vom Vizepräsidenten der Vereinigung, Dr. iur. H. Brunner, abgelöst wurde. Die Revision der Rechnung besorgten die Herren Diakon H. Bosshard und A. Rutishauser; hernach H. Bosshard, Kirchengutsverwalter U. Graf und Bürgerratssekretär P. Zimmermann; seit 1960 P. Zimmermann und W. Schlegel und endlich P. Zimmermann und M. Tuchschmid, Präsident der Kirchgemeinde St.Gallen-Straubenzell.

 

Offene Fragen der Finanzierung

Da eine stattliche Anzahl von Ratsuchenden schon immer aus den Kantonen Thurgau und Appenzell A. Rh. gestammt hatte, war eine Bitte um Subvention durch die beiden Kantonalkirchen durchaus gerechtfertigt. Es wurden denn auch erstmals im Jahre 1957 der sanktgallischen Eheberatungsstelle vom Kanton Thurgau 1000 und vom Kanton Appenzell 500 Franken bewilligt. Was den letzteren anbetrifft, so hat er 1960 eine eigene Eheberatung geschaffen und demzufolge die Unterstützung der sanktgallischen gestrichen. Das Protokoll, aus dem wir diesen Umstand erfahren - es datiert vom 24. April 1961 - gibt uns noch über einen anderen Sachverhalt Auskunft, indem es darin heisst: «Der Betrag von 400 Franken an den früheren Eheberater, Herr Pfarrer Hirzel, fällt in Zukunft weg, weil Herr Pfarrer Hirzel durch eine andere St.Galler Instanz nicht nur 400 Franken, sondern 1500 Franken erhalten wird.»

Damit hatte das peinliche Problem der Pensionierung des ersten Eheberaters eine, allen Beteiligten Erleichterung verschaffende Lösung gefunden. Die ganze Einrichtung stand und steht bis zum heutigen Tag nun einmal finanziell auf schwachen Füssen, wenn von einigen Seiten her die Beiträge auch erhöht worden sind. Die evangelische Zentralkasse hat mit einer Subvention von 1200 Franken begonnen, einige Jahre 2000 beigesteuert, dann 2500, bald 4500 und seit 1965 7000 Franken. Die Kirchgemeinde Tablat hatte sich anfänglich zu 4000 Franken verpflichtet, ist dann auf 4400 nachgerückt, aus denen bald 5300 Franken geworden sind, und figurierte in der Rechnung des Jahres 1966 mit einer Subvention von 6300 Franken, Straubenzell mit einer solchen von 4000 Franken. Und noch ist des Ansteigens derartiger Zumutungen an die städtischen Kirchgemeinden kein Ende, nachdem sich der Ausgabenetat für die protestantische Eheberatung neuerdings gegen 40 000 Franken hin bewegt. Eine neue Verteilung der Kosten sieht vor, dass die Kirchgemeinde St.Gallen-Centrum sich mit 13 000, die Kirchgemeinde Tablat mit 9500 und die Kirchgemeinde Straubenzell mit 7000 Franken an der finanziellen Erhaltung der guten Sache beteiligen. Das sind rund 30 000 Franken an die benötigten 40 000 Franken. Die restlichen Zehntausend müsste dann wohl die evangelische Zentralkasse, das heisst die kantonale Kirche, übernehmen bis auf jene Beiträge, die wir denn doch auch von den Kantonen Thurgau und Appenzell A. Rh. zu erhalten hoffen, die ihrerseits zum Einzugsgebiet des sanktgallischen Eheberaters gehören, dessen regionale Beanspruchung trotz der im Appenzellischen geschaffenen eigenen Stelle folgendes Bild aufweist:

Kreis Centrum 25 %
Kreis Kreis Ost 15 %
Kreis West 16 %
Übriger Kanton St.Gallen 22 %
Kanton Thurgau 13 %
Kanton Appenzell A. Rh. 9 %

Die Freie protestantische Vereinigung, unter deren Patronat das schöne Werk von Anfang an gestellt worden ist, wie es denn auch von ihr hat ausgehen dürfen, hat es sich leider nicht leisten können, ihren üblichen Beitrag von 500 Franken, der ihren bescheidenen Kassaverhältnissen entspricht, zu vervielfachen. Soviel zur gegenwärtigen Finanzlage der Eheberatung.

Ihr dritter Inhaber, Pfarrer Jakob Staehelin, hat nach siebenjähriger treuer Arbeit sein Amt im August 1967 niedergelegt und gedachte, sich nach einer Reise zu seinen Angehörigen in Australien mit seiner Gattin bei einer in Therwil verheirateten Tochter niederzulassen und dort noch einige Jahre in Schule und Kirche zu wirken. Wie aus hei¬terem Himmel gelangte im Lauf des Dezembers die Kunde nach Sankt Gallen, Pfarrer Staehelin sei in Sydney «nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben». Am 18. März 1968 ist die Urne auf dem Friedhof am Hörnli in Basel im engeren Familienkreis beigesetzt worden. Erich Zettler Zu seinem Nachfolger ist, schon bevor der liebe Entschlafene unsere Stadt verlassen hatte, Pfarrer Erich Zettler in Lichtensteig gewählt worden, ein erfahrener Seelsorger und tüchtiger Gemeinde-pfarrer, der inzwischen sein Amt angetreten hat, und in dem wir den rechten Mann gefunden zu haben mit guten Gründen überzeugt sein dürfen. Wir möchten aber nicht versäumen, Herrn Pfarrer Gottlieb Roggwiller für seine Bereitschaft zu danken, in der er die dringendsten Aufgaben des Eheberaters in der Zwischenzeit vom August 1967 bis zum April 1968 auf sich genommen hat.

Hier endet der Rückblick von Hans Martin Stückelberger, es folgen hier Texte und Bilder aus dem St.Galler Kirchenboten, der über die Eheberatung immer wieder berichtet hat.

 

Aus Kirchenbote 9/2007 > PDF

Erich Zettler (Eheberater von 1968–1989)

Erich Zettler-Tribelhorni im Jahr 2001 (Foto: as)

Am 4. Juli 2007 verstarb in St.Gallen Pfarrer Erich Zettler im 84. Lebensjahr. Der langjährige Eheberater (1968–1984) und Chefredaktor des St.Galler Kirchenboten (1965–1984) stammt ursprünglich aus Leutkirch im bayrischen Allgäu. Die Begegnung mit der «Bekennenden Kirche» weckte im Konfirmanden den Wunsch zum Theologiestudium.

Eine frühe Nierenkrankheit verschonte ihn vom Kriegsdienst. Beim Theologiestudium im Tübinger Stift lernte er seine spätere Frau, die St.Galler Theologiestudentin Edith Tribelhorn, kennen, die ihn bei den Pfarrstellen in Deutschland als Pfarrfrau treu unterstützte. 1960 wechselte die Pfarrfamilie nach Lichtensteig im Toggenburg.

Die Verlags- und Redaktionskommission des Kirchenboten wählte Erich Zettler 1965 zum Chefredaktor, 1968 folgte die Berufung an die Eheberatungsstelle, welche die Protestantisch-kirchliche Vereinigung St.Gallen (heute Evang.-ref. Forum) bis heute mit einer erweiterten Trägerschaft führt. Als Anteil nehmender Seelsorger gab er im Büro bei der Kirche St.Mangen Kraft an die vielen Ratsuchenden weiter.

Die Redaktion des Kirchenboten war quasi ein Wochenendjob, den Erich Zettler dank seiner intellektuellen Beweglichkeit und mit Hilfe seiner Frau nebenher gegen eine symbolische Entschädigung ausführen konnte. In bewegten Jahren hat er die Inhalte des Blattes geprägt, das monatlich in jedes reformierte Haus im Kanton St.Gallen gelangt. Seine Themen waren die Ökumene und der Friede in der Welt. Auch theologischen, sozialen und politischen Fragen galt seine Aufmerksamkeit. Bei aller Weltoffenheit verstand er diese Arbeit, wie es im Reglement für die Herausgabe des Kirchenboten heisst, als «Dienst der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus». As

 

Wolfgang Schait (Eheberater von 1989-2003)

Auszug aus dem Jahresbericht der Protestantischen Eheberatung SG 2000 Wolfgang Schait, Eheberater

Im Frühjahr erfüllte sich ganz unerwartet ein Wunsch, den ich zwar seit Jahren hegte und auch immer wieder kund tat, in letzter Zeit aber aufgab, weil er zu denen gehörte, die zu schön waren, um wahr zu sein. Für meine Beratungsarbeit bekam ich ganz neue Räumlichkeiten. Ich konnte die düstere, meist sonnenlose, bedrückend niedere und fast kellerartige „Höhle“ verlassen und sonnige, helle Räume beziehen im dritten Stock der „Perle“, dem Haus der Kantonalkirche. Während der ersten Wochen reagierten meine Augen fast wie geblendet – so sehr hatten sie sich während der vergangenen elf Jahre an die düsteren Räume gewöhnt. Dieser Umzug hat Zeichencharakter in unserer St.Galler Kirche: Ein diakonischer Kellerdienst ist sichtbar, spürbar und hoffnungsvoll aufgewertet worden! Dem Kirchenratspräsidenten und allen Beteiligten gebührt ein ganz herzlicher Dank!

Wolfang Schait ging im Sommer 2003 in Pension. Die Aufsichtskommission hat sich umgeschaut und einen qualifizierten Nachfolger entdeckt, den sie per Berufungsverfahren gewinnen will: Walter Feurer, Jg. 1949, 1975-1987 Pfarrer in Bühler, ab 1987 Aufbau und Leitung der Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen Appenzell Ausserrhoden (70%) und evang.-ref. Spitalpfarramt am Kantonalen Spital Heiden AR (30%).

 

 

Kirchenbote 09/2003 > PDF

Wolfgang Schait –  14 Jahre im Dienst für Paare und Einzelpersonen

Nach 14 Jahren Tätigkeit für die evangelisch-reformierte Paar und Familienberatung St.Gallen hat Pfarrer Wolfgang Schait die Leitung der Arbeitsstelle altershalber abgegeben. Ein Rückblick auf seine Tätigkeit als Eheberater.

Bereits in seinem Theologiestudium hat sich der gebürtige Schaffhauser Wolfgang Schait für psychologische Fragen interessiert. In seinen ersten Jahren als Pfarrer vertiefte er seine psychologischen Kenntnisse durch eine Analyse und in Vorlesungen und Seminaren am C.G. Jung-Institut. Damit gewann er grössere Kompetenzen in seelsorgerlichen Aufgaben.
Nach 24 Jahren Pfarramt in verschiedenen Gemeinden wurde Pfarrer Wolfgang Schait im Jahr 1989 an die «Protestantische Eheberatung St.Gallen» gewählt. Der Führung und dem Ausbau der ältesten Eheberatungsstelle der Schweiz galten seine 14 letzten Amtsjahre vor seiner Pensionierung.

Beziehung neu entdecken
An Arbeit hat es Wolfgang Schait in den letzten 14 Jahren nicht gefehlt. Die kirchliche Eheberatung war stets gefragt. «Die Paar- und Familienberatung geschieht in einem intimen Umfeld, doch darin spiegeln sich stets auch gesellschaftliche Prozesse», charakterisiert Wolfgang Schait die Beratungsarbeit. Die äusseren Bedingungen hätten sich in den letzten Jahren stark zu Ungunsten der Ehe entwickelt, so dass er sich manchmal für gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse eine «Eheverträglichkeitsprüfung» gewünscht hätte.

Generell habe die Bereitschaft, sich «Paar- oder Familienzeit» zu organisieren, abgenommen – ebenso die Fähigkeit, über eigene Gefühle zu reden. Gegenüber früher, als sich die Lebensform der Ehe an feste Traditionen angelehnt habe, müssten Paare heute in einem sich schnell wandelnden gesellschaftlichen Umfeld nach ihrer je eigenen Lebensform suchen, um Raum für die Beziehung und Geborgenheit zu finden. In seiner Arbeit verstand sich Wolfgang Schait als «Übersetzer und Geburtshelfer». Er half den Paaren, sich vertieft wahrzunehmen, von sich selber zu erzählen, das Gespräch neu zu entdecken und an ihrer je eigenen Ausformung der Beziehung zu arbeiten. Religiöse Dimension versuchte er, wo sie angesprochen wurde, wahrzunehmen und deren Wurzeln zu stärken. Nebst dieser Arbeit mit Paaren begleitete er auch viele Einzelpersonen in Trennungszeiten und durch schwierige Lebensphasen hindurch. Auch von Kirchenvorsteherschaften wurde er in Krisensituationen öfters beigezogen.

Spezialpfarramt als Chance
Auf Grund seiner Erfahrungen in einem Spezialpfarramt plädiert Wolfgang Schait für ein stärkeres Mit- und Nebeneinander von Gemeinde- und Spezialpfarramt. «In unserer mobilen und stark individualisierten Gesellschaft braucht auch die Kirche vermehrt Angebote, wo Menschen mit ihren Interessen und Problemen ein speziell ausgebildetes Gegenüber finden.» Wolfgang Schait sieht in dieser spezialisierten Arbeit «so etwas wie das Entstehen neuer, unsichtbarer Gemeinden». Und wie schaut der frische Pensionär in die Zukunft? «Jetzt habe ich Zeit, mir selber, der Familie und Freunden neu zu begegnen, und die Gelassenheit, mich kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen zu stellen.» Vorerst wird Wolfgang Schait in der Kirchgemeinde St.Gallen Straubenzell eine 50-Prozent-Stellvertretung übernehmen. as

Die evangelisch-reformierte Paar und Familienberatung St.Gallen (PDF Kibo 9/2003)

Die wohl älteste Eheberatungsstelle in der Schweiz wurde 1945 durch die «Protestantische Vereinigung St.Gallen» (heute: Evang.-reform. Forum St.Gallen) eingerichtet. Die Anregung dazu kam von einer Frau, von der Juristin Heidi Seiler. Damals kehrten viele Männer nach langem Aktivdienst heim und bemerkten, dass die Ehefrauen auch alleine vieles zustande gebracht hatten. Das mag mit ein Grund gewesen sein für zunehmende Ehekonflikte in der Nachkriegszeit.
Der erste Eheberater, Pfarrer Rudolf Hirzel, ergänzte seine Arbeit bald auch mit Ehevorbereitungs- und Elternkursen. Als Hirzels Nachfolger wurde 1953 der Arzt Dr. med. B. Harnik gewählt. Er hat sich schweizweit als Autor von Ratgeberliteratur, als Vortragender und als Kursleiter einen Namen gemacht. Von 1960 bis 1967 leitete die Eheberatung Pfarrer Jakob Staehelin und von 1968 bis 1989 Pfarrer Erich Zettler, der gleichzeitig Redaktor des Kirchenboten war.

An der Finanzierung der Stelle beteiligten sich zuerst die drei städtischen Kirchgemeinden, weitere Kirchgemeinden im Umkreis St.Gallens kamen im Laufe der Jahre hinzu. Neuerdings erstreckt sich der Umkreis der Beitragsgemeinden und damit auch des Klientels bis nach Altstätten im Rheintal, nach Wil im Fürstenland und Wildhaus im Toggenburg.

Im Jahr 2000 bezog die Arbeitsstelle im kantonalkirchlichen «Haus zur Perle» am Oberen Graben 31 neue Räumlichkeiten, ihr Name wurde in «Evangelisch-reformierte Paar- und Familienberatung» geändert und zugleich konnte einem alten Wunsch von Wolfgang Schait entsprechend die Stelle auf 140 Prozent ausgebaut und mit der Wahl von Heidi Paulsen zusätzlich mit einer Frau besetzt werden. Die Arbeitsstelle bietet neuerdings auch kirchlichen Mitarbeitenden Supervision an und begleitet Kirchenvorsteherschaften vor allem in Konfliktphasen – eine neue Dienstleistung, für die auch Wolfgang Schaits Nachfolger, Pfarrer Walter Feurer, beste Qualifikationen mitbringt. Walter Feurer wurde von der Aufsichtskommission mit Arbeitsbeginn 1. August 2003 gewählt. Er war Pfarrer in Bühler. Er baute 1987 nach vielen berufsbegleitenden Weiterbildungen die Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen der Appenzeller Kirche auf und leitete die Stelle bis zu seiner Berufung nach St.Gallen. as

Heidi Paulsen und Walter Feurer führen seit 1. August die Familien- und Paarberatung in St.Gallen.

 

> PDF Kibo 4/2013

Achim Menges und Andrea Imper (Eheberatung ab 2003)

Neues von der ältesten Eheberatung

Am 1. August 1945 wurde in St.Gallen schweizweit die erste Eheberatungsstelle gegründet – sie besteht bis heute, inzwischen mit zwei Beratenden, einem Mann und einer Frau. Im Juni 2013 übergeben Walter Feurer und Heidi Paulsen die Arbeit in der Beratungsstelle an Achim Menges, Pfarrer und Psychotherapeut, und Andrea Imper, Psychologin.

Es ist kein Zufall, dass die ersten Bestrebungen zu einer Eheberatung in die Zeit des Zweiten Weltkriegs fielen. Männer waren oft lange abwesend an der Grenze und die Frauen übernahmen mehr Verantwortung – das brachte die alte Rollenverteilung ins Wanken.

Ein Blick in die Geschichte
Der Anstoss zu einer Eheberatung kam von einer Frau, von Dr. jur. Heidi Seiler. Sie trug das Anliegen in die «Freie protestantische Vereinigung», damals präsidiert von Henry Tschudy, einem St.Galler Verleger. Bis heute ist diese Vereinigung, die sich jetzt Evangelisch-reformiertes Forum St.Gallen nennt, die Trägerin der Beratungsstelle.

Finanziert wurden die Eheberater zuerst nur durch Beiträge der drei St.Galler Kirchgemeinden, später beteiligte sich die Kantonalkirche immer stärker, zeitweise auch die Thurgauer und Appenzeller Kirchen. Heute tragen
die im Norden des Kantons und im Toggenburg liegenden Kirchgemeinden zusammen mit der Kantonalkirche die Evangelisch-reformierte Paar- und Familienberatung mit Sitz in St.Gallen im Haus zur Perle am Oberen Graben 31.

Der erste Eheberater, Pfarrer Rudolf Hirzel, beriet auch junge Paare, hielt Vorträge oder organisierte Elternabende. Nach seiner Pensionierung wurde 1953 mit Dr. Bernhard Harnik ein Arzt auf die Stelle berufen, der in seiner Amtszeit ausführliche Jahresberichte mit Statistiken verfasst hat. Von Mai bis Dezember 1953 erwähnt er 1644Besprechungen für 988 Fälle, 142 Vorträge, 513 Briefe und 1007 Telefonate. Auch führte er Statistik über die Ursachen der Ehekonflikte: Von 544 Fällen hat er 153 auf Psychopathie, 114 auf Ehebruch, 90 auf Gegensatzschwierigkeiten, 17 auf Alkoholismus, 14 auf sexuelle Probleme … zurückgeführt.
Dr. Bernhard Harnik schrieb bald auch Bücher zum Thema und sprach am Radio über die Ehe. 1959 machte er sich selbstständig und zog nach Zürich.

Mit der Wahl von Pfarrer Jakob Staehelin wechselte die Stelle von der Kugelgasse ins neu erbaute Kirchgemeindehaus bei der Kirche St. Mangen. Dort wirkte dann bis 1989 Pfarrer Erich Zettlet-Tribelhorn. Unter seinem Nachfolger Pfarrer Wolfgang Schait zog die Beratungsstelle an ihren jetzigen Standort am Oberen Graben. Er setzte sich zudem dafür ein, dass neben ihm mit Heidi Paulsen auch eine Frau in der Beratung tätig wurde. Als Pfarrer Walter Feurer die Stelle 2003 übernahm, war er vorher bereits während 15 Jahren für die Appenzeller Kirche in der Eheberatung tätig.

Nun steht eine neue Ära an: Im Sommer 2013 geht Walter Feurer in Pension, Heidi Paulsen macht sich selbstständig. Bereits im Herbst 2012 hat die Aufsichtskommission die Nachfolge geregelt: Die Psychologin Andrea Imper hat ihre Arbeit mit einem kleinen Pensum schon begonnen, Pfarrer und Psychotherapeut Achim Menges, früher Gehörlosenpfarrer, wird im Sommer dazu stossen. as