„Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen“
– das Zeugnis der Bibel zum Thema „Leben nach dem Tod“

Vortrag im Rahmen des Winterprogramms des Ev.-ref. Forums St.Gallen
vom 1. Februar 2010 im Festsaal St.Katharinen von
Dr. theol. Till Mohr

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitchristen!

Gibt es ein Leben nach dem Tod? - Das ist die Frage, die heute nicht nur Sie interessiert, beschäftigt und bewegt, sondern ungezählte Menschen in der weiten Welt. Denn der Tod gehört ja zu unserm Leben wie die Geburt. Und doch herrscht gerade im Blick auf diese so entscheidende Frage, was beim Sterben eigentlich passiert und was auf dasselbe folgt, grosse Unklarheit und Ungewissheit - selbst unter Theologen.
Die einen sagen, der Mensch lebe nach dem Tod nicht weiter, am Jüngsten Tag jedoch werde er neu geschaffen; die andern sagen, er werde dann auferweckt aus dem Grab mit den Gebeinen, die dann von ihm vielleicht noch vorhanden sind, wie es im Mittelalter oft dargestellt wurde. Andere sagen, die Seele bzw. der Geist des Menschen lebe nach dem Tod weiter. Im Sterben werde nur der irdische Leib abgelegt, der wieder zu Erde wird und in den Kreislauf der Natur eingeht. Wieder andere behaupten, mit dem Tod sei alles aus. Es gäbe weder ein Leben nach dem Tod noch eine Auferstehung. Tot ist tot, sozusagen mausetot!
In diesem Zusammenhang hört man auch oft die Meinung: „Es ist ja noch niemand wieder zurückgekommen!“, ohne dass man dabei an die vielen, wohl bezeugten Erscheinungen Verstorbener denkt und indem man vor allem die gewaltigen Ostererfahrungen der Jünger gänzlich verdrängt, zu denen ausdrücklich auch Frauen gehörten, die sogar die Ersten waren, welche solche Erlebnisse hatten. Und weil die Frauen in jener Zeit als Zeugen verachtet waren, sind sie umso glaubwürdigere Zeugen, als sie von der Urgemeinde nie als solche erfunden worden wären. Diese Jünger Jesu waren wie ihr Meister ja eigentliche Zeugen der Wahrheit, für die sie bereit waren, als Märtyrer in den Tod zu gehen. Das tut man aber nicht für Lügengeschichten, die man sich nur ausgedacht oder eingebildet hat. Die Beweise des Auferstandenen, die Erfahrungen der ersten Christen waren vielmehr so gewaltig und ihr Glaube an das Leben nach dem Tod, die Hoffnung auf das Leben in der Herrlichkeit des Reiches Gottes, auf das Daheimsein beim Herrn, wie Paulus sagt (2 Kr 5, 8), so stark, dass die Christen in den römischen Arenen als Gekreuzigte und den Löwen Vorgeworfene singend in den Tod gingen! So müssen wir uns fragen: Hätte Gott uns grössere Beweise für das Leben nach dem Tod und die Auferstehung geben können als die, welche er uns durch Christus gegeben hat? Ich denke, wir werden nie grössere bekommen.
Für Jesus, der so vollkommen mit Gott als seinem Vater verbunden und so hellsichtig und hellhörend war, dass er ihn im Geiste schauen, ihn hören und mit ihm sprechen konnte, der die Engel auf- und niedersteigen sah, war die Wirklichkeit des Reiches Gottes die eigentliche, wahre, unvergängliche, ewige, vollkommene Wirklichkeit, in der er lebte wie die Fische im Wasser, eine Wirklichkeit, die durch ihn selbst mit Macht in diese Welt gekommen war, mitten unter uns, nur jenseits unserer Sinne, aber in ihren gewaltigen Beweisen des Geistes und der Kraft ehrfurchtgebietend, herzbewegend, zur Umkehr der Gesinnung führend, , überwindend, befreiend, heilend, begeisternd und frohmachend. Gerade diese jenseitige, geistige Wirklichkeit aber ist dem heutigen, vielfach materialistisch und oberflächlich denkenden Menschen kaum noch verständlich. Wenn wir aber auf die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, wirklich eine klare Antwort finden, ist dies von entscheidender Bedeutung auch für die Erkenntnis der jenseitigen, geistigen, höheren Welt.
Nun gibt es ja sehr verschiedene Wege, wie man zur Überzeugung vom Leben nach dem Tod gelangen kann. So hat z.B. Jesus selbst auf die achtsame Betrachtung von Tod und Leben in der Natur hingewiesen, zu welcher ja auch der Mensch gehört. Folgt nicht auf den Schlaf - den Jesus selbst mit dem Tod verglich - das Erwachen? So muss doch auch ein Weizenkorn vergehen, sterben, um zu neuem Leben zu erstehen und viel Frucht zu bringen, was schon Jesus als Gleichnis für sein eigenes Sterben und Auferstehen wie für das unsere verwendete (Joh 12, 24-26). Und stirbt nicht auch die kriechende, halbblinde, schädliche Raupe in ihrem Kokon? Doch wenn sie ihn ablegt, geht sie verwandelt, in völlig neuer, geflügelter, schöner Gestalt als nützlicher Schmetterling aus ihm hervor. Ist sie nicht zu neuem, höherem, freierem Leben nach ihrem Tod erwacht? Kinder, die in den KZs dem Tod entgegengingen, haben oft spontan und intuitiv einen Schmetterling an die Wände ihrer Todesbaracken gemalt!
Ausserdem bezeugt die Bibel sehr aufschlussreiche Nahtodeserfahrungen, wie es in ähnlicherweise heute Millionen von Menschen erleben. Sei es, dass man selbst ein Todesnäheerlebnis hatte; sei es, dass einer eine Sterbebettvision hatte, also kurz vor dem Tod ruhig wurde, schon etwas vom Körper gelöst ein wenig in die andere Welt hinüberschaute und die auf ihn wartenden, vertrauten Vorausgegangenen erkannte, so dass man auf seinem Angesicht ein frohes, seliges Aufleuchten beobachtete oder ein Wort von ihm vernahm, das bereits den Jenseitigen gegolten hatte; sei es, dass man hellsichtig ein Lichtwesen wahrnahm, welches der Seele des Abscheidenden half, sich vom irdischen Leib zu lösen; sei es, dass man nach dem Abscheiden eines Mitmenschen denselben ganz lebhaft und real in einem Klartraum erlebt, gesehen und gehört hat oder dass man sogar bei vollem Bewusstsein und in aller Nüchternheit eine sichtbare Erscheinung desselben erfahren hat, so wie dem Elsässer Pfr. Johann Friedrich Oberlin über neun Jahre (!) hinweg fast täglich seine verstorbene Frau erschien und ihm klare Beweise und Belehrungen über das Leben nach dem Tod gab.
So bezeugt auch kein Geringerer als Philipp Melanchthon, der grosse Reformator und Mitstreiter Martin Luthers, in seinem Buch >De Anima> („Über die Seele“): „Die heidnischen Autoren sagen ausdrücklich, sie fänden sich zu dem Glauben an eine Fortdauer der Seele nach dem Tode bewogen, weil es ganz unzweifelhaft sei, dass viele Abgeschiedene umgingen, oft gehört und gesehen würden, auch mit den Menschen sprächen. Ich selbst habe Verstorbene leibhaftig vor mir gesehen und kenne viele glaubwürdige Männer, welche behaupten, sie hätten nicht nur solche gesehen, sondern auch lange Gespräche mit ihnen geführt.“ Menschen wie Melanchthon oder Oberlin, die das Leben nach dem Tod so hautnah erfahren haben, werden nicht mehr daran zweifeln.
Heute werden diese Nahtoderfahrungen ja durch die moderne, wissenschaftliche Sterbeforschung (Thanatologie) weltweit erforscht. Man denke nur an die erste systematische Studie des St.Gallers Albert Heim im Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs von 1892, an das grundlegende, dreibändige Werk „Das persönliche Überleben des Todes“ von Emil Mattiesen, das Epoche machende Buch „Rückkehr von Morgen“ von George Ritchie, die bahnbrechenden Arbeiten von Raymond Moody und Elisabeth Kübler-Ross bis hin zu den die Nahtoderlebnisse direkt und wissenschaftlich begleitenden, umstürzenden Forschungen des holländischen Kardiologen Pim van Lommel und vieler anderer.
Ein grundsätzlich anderer Weg, die Wirklichkeit vom Leben nach dem Tod zu erkennen, aber bietet sich uns im Hören auf das Wort Gottes an, auf die uns von Gott geoffenbarte Wahrheit, wie sie uns vor allen anderen Christus lehrte. Alles menschliche Denken bleibt ja auch im besten Fall nur Stückwerk, das gegen Irrtümer nicht gefeit ist; während die volle Wahrheit nur bei Gott ist und die Fülle der Weisheit in Christus. Er sagte zu Gott gewandt: „Dein Wort ist Wahrheit.“ (Joh 17,17) Dieses heilige Wort Gottes wird von der Bibel in reicher Fülle überliefert. Und sie enthält trotz aller Mängel menschlicher Überlieferung noch genügend Wahrheit, um uns auf unsere Frage eine klare Antwort zu geben, die weit über das hinausgeht, was uns die Natur, eigene Erfahrung oder wissenschaftliche Sterbeforschung zu diesem Thema zu sagen vermögen, und zwar schon im Alten Testament.
1. Kg 17,17ff berichtet, wie Elia den Sohn der Witwe zu Sarepta nicht mit den Mitteln der modernen Medizin, sondern mit einem eindringlichen Gebet wiederbelebte: "Er streckte sich dreimal über den Knaben hin, rief den Herrn an und sprach: ‚O Herr, mein Gott, lass doch die Seele dieses Knaben wieder in ihn zurückkehren!’ Und der Herr erhörte das Gebet des Elia: die Seele des Knaben kehrte in ihn zurück, und er wurde wieder lebendig."
Dies Beispiel zeigt im Gegensatz zu der von vielen Forschern für das Alte Testament flächendeckend angenommenen Leib-Seele-Einheit sehr deutlich und eindrücklich: 1. Der Tod tritt ein, wenn die Seele den Leib des Menschen definitiv verlässt. 2. Das Leben des Menschen hängt nicht am Leib, sondern an dieser Seele! 3. Der Mensch hat eine den Leib überlebende Seele! Denn wenn die Seele des Knaben nicht wieder in denselben zurückgekehrt wäre, wäre er unwiderruflich gestorben. Nur weil die Seele nach Gottes Willen in des Knaben Leib zurückkehrte, erfüllte sie diesen wieder mit Leben.

Dass dies wirklich so ist, hat Pim van Lommel durch seine in seinem Buch „Endloses Bewusstsein“ beschriebenen, bahnbrechenden, wissenschaftlichen Untersuchungen an 344 Patienten nachgewiesen, die klinisch tot waren und ins irdische Leben zurückgeholt werden konnten. 18 % von ihnen hatten während dieses Zeitpunktes des klinischen Todes Nahtoderlebnisse mit z.T. erhöhtem und erweitertem Bewusstsein, also zu einem Zeitpunkt, an dem keinerlei körperliche Aktivitäten des Herzens, der Atmung, der sinnlichen Wahrnehmung und insbesondere des Gehirns unter wissenschaftlicher Kontrolle mehr festzustellen waren. Diese aus einer Position und Perspektive ausserhalb und oberhalb des materiellen Leibes gemachten, diesen selbst, die Ärzte und die ganze Umgebung wahrnehmenden, mit der realen Wirklichkeit übereinstimmenden und nachprüfbaren Beobachtungen wurden von drei weiteren, entsprechenden, unabhängigen Untersuchungen bestätigt. Damit wurde der wissenschaftliche Beweis erbracht, dass die materialistische, reduktionistische These, dass das Bewusstsein und die Seele nur eine Funktion des Gehirns seien, unhaltbar und falsch ist. Was die Bibel schon längst einfach und klar bezeugt hatte, wurde nun also nach bald 3000 Jahren wissenschaftlich bestätigt und nachgewiesen. Ich stehe nicht an zu behaupten, dass damit im Prinzip unser modernes, materialistisches Weltbild in den Fundamenten erschüttert und zu Fall gebracht worden ist. Nichts Geringeres! Diese modernen Forschungen ermöglichen uns ausserdem und nicht zuletzt einen vertieften Zugang zum Verständnis der biblischen Zeugnisse vom Leben nach dem Tod in der anderen, höheren, geistigen Welt.

Um noch besser zu verstehen, was beim Sterben geschieht, muss auf die Verbindung von Seele und Leib hingewiesen werden, welche im Prediger-Buch (12,6) als "silberne Schnur" bezeichnet wird. Bei diesem ‚Lebensfaden’ handelt es sich um ein feinstoffliches Band, dessen Realität schon wiederholt bei Nahtoderlebnissen von der vom Leib gelösten Seele wahrgenommen wurde. Solange diese Verbindung von Leib und Seele besteht, kann die Seele grundsätzlich wieder in den Leib zurückkehren und ihn mit neuem Leben erfüllen. Einen solchen reversiblen Sterbevorgang bezeichnen wir als Scheintod. Zerreist aber die „silberne Schnur“ bzw. wird sie von Lichtwesen des Himmels gelöst, so tritt trotz aller Wiederbelebungsversuche (Herzmassage, Beatmung, Stromstösse bzw. Defibrillation) der definitive Tod ein. Bei dem Sohn der Witwe zu Sarepta war diese „silberne Schnur“ offenbar noch nicht gelöst. Darum war es grundsätzlich möglich, dass Elia die Rückkehr der Seele des Knaben in seinen irdischen Leib erfolgreich von Gott erbitten konnte.
Das im Prinzip selbe Geschehen wie bei Elia müssen wir auch bei der Wiedererweckung bzw. Reanimierung des Sohnes der Sunamitin durch Elisa voraussetzen (2. Kg 4), wie auch bei der Auferweckung des Töchterleins des Jairus in Kapernaum (Mk 5,22ff.) oder des Jünglings zu Nain (Lk 7,1-17) durch Jesus. Bemerkenswert ist, dass sich Jesus vor der Auferweckung des Lazarus in Bethanien (Joh 11,1ff.) im Gebet an Gott wendete wie einst Elia, ebenso Petrus bei der Wiederbelebung der Tabitha in Joppe (Apg 9,36ff). Nachdem Paulus den vom dritten Stock heruntergefallenen Eutychus in Troas auferweckt, stellt er fest, dass seine Seele (wieder) in ihm ist (Apg 20,7-12). Die Seele dieser Menschen kehrte also in ihren Leib und damit in das irdische Leben zurück. Es ist im Prinzip wie beim Erwachen nach einem tiefen Schlaf, weshalb Jesus angesichts des verstorbenen Töchterleins des Jairus sagte: "Das Kind ist nicht verstorben, sondern es schläft." (Mk 5,39) Ebenso bemerkt er über den scheintoten Lazarus: "Unser Freund Lazarus schläft." (Joh 11,11)

Insbesondere der Scheintod ist also des Schlafes Bruder, d.h. ein dem Einschlafen und Wiedererwachen durchaus vergleichbarer, entsprechender Vorgang. Beim definitiven Sterben hingegen besteht der entscheidende Unterschied darin, dass dieser Lebensfaden, die "silberne Schnur", zerreisst und die Seele nicht mehr im Leib erwacht, der alsbald zu verwesen beginnt, sondern in der geistigen Welt und dort weiterlebt, wie es schon in der sehr alten Überlieferung vom Sterben der Ahnfrau Rahel heisst: "Ihre Seele entfloh [dem Leib], denn sie musste sterben." (1. Mose 35,18) Diese Erkenntnis hat der Prediger (12,7) auf die klassische Form gebracht: "...der Staub [der Leib] wird wieder zu Erde, wie er gewesen; der Odem [die Seele] aber kehrt wieder zu Gott, der ihn gegeben." So kann der Prediger das Sterben auch als das Eingehen des Menschen „in sein ewiges Haus“ bezeichnen (12,5b).

Die Seele ist also weder eine Funktion des Leibes noch entsteht sie mit dem Leib. Sie wird vielmehr von Gott (nicht bei der Zeugung, sondern) bei der Geburt „gegeben“. Bei der Erschaffung Adams wird dies in sehr schöner bildlicher Sprache zum Ausdruck gebracht, wenn es in 1. Mose 2,7 heisst: Gott „hauchte in seine Nase einen lebendigen Geist, und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.“ Die Seele oder der Geist des Menschen wird somit bei der Geburt von der Gotteswelt in den irdischen, fleischlichen Leib des Neugeborenen eingehaucht oder – wie wir heute sagen - inkarniert und mit demselben durch die „silberne Schnur“ verbunden, so dass das neugeborene Kindlein zum selbständigen Leben in dieser Welt erwachen kann. So zieht man ja auch nicht bei der Grundsteinlegung in ein Haus, sondern erst, wenn es bewohnbar ist. Beim Sterben wird dieser Vorgang rückgängig gemacht.
Unser Körper ist somit nur das irdische Haus für die Seele, in dem sie vorübergehend wohnt, ein Bild, das auch Jesus für unsern Leib verwendet (Lk 11,24-26; par Mt 12,43-45), ähnlich 2. Petr 1,13f, wo der Leib mit einem Zelt verglichen wird, das im Tode abgelegt wird. So spricht auch Paulus vom irdischen „Zelt“ bzw. von der „Zeltwohnung“, aus der er Lust habe auszuwandern, um daheim zu sein beim Herrn (2 Kr 5,1.4.8). Dass Paulus hier nicht einfach eine gängige, zeitgenössische Vorstellung und Erwartung zum Ausdruck bringt, sondern aus eigener geistiger Erfahrung spricht, kann man daran erkennen, dass er im Geiste schon einmal in den dritten Himmel bzw. das Paradies entrückt wurde, wie er selbst bezeugt (2 Kr 12,2-4).

Für die Erkenntnis vom Leben nach dem Tod ist es des weiteren wichtig, dass die Seele nicht nur von Gott kommt, sondern in der Bibel auch als göttlicher Odem oder Hauch bezeichnet wird, als eine „Leuchte des Herrn“ (Spr 20,27), die verdunkelt wird, wenn wir Böses denken oder tun, und erstrahlt, wenn wir Gutes, den Willen Gottes tun. Sie ist also etwas Geistiges, Göttliches, Lebendiges. Gott hat von seiner Kraft, von seinem Licht, von seiner Ewigkeit einen Funken in unser Leben, in unsere Seele hineingegeben; denn sie ist nach Gottes Bild geformter Geist von Gottes Geist, wie es in 1. Mose 6,3 heisst: "Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht auf immer im Menschen walten…." Danach ist das Leben des Menschen auf Erden begrenzt, nicht weil seine Seele vermeintlich mit dem Körper entsteht und vergeht, sondern umgekehrt weil sein Leben von diesem Geist bzw. der Seele abhängt, welche Gott gemäss dem Lebensplan für jeden Menschen (Ps 139,16) gibt und wieder zurücknimmt, wie es z.B. Ps 104, 29f bezeugt: „…nimmst du ihren Odem hin, so verscheiden sie und werden wieder zu Staub. Sendest du deinen Odem aus, so werden sie geschaffen.“
Doch weil des Menschen Seele Geist von Gottes Geist ist und weil Gott ewig ist, darum kann dessen Geist in uns gar nicht mit dem Sterben zugrunde gehen, darum muss es ein Leben nach dem Tod geben, wie also schon das Alte Testament bezeugt.

Dieser Sachverhalt kommt in dem Erlebnis Sauls bei der Totenbeschwörerin zu Endor (1.Sam 28) drastisch und dramatisch zum Ausdruck, als ihm der verstorbene Prophet Samuel als alter, in einen Mantel gehüllter Mann, also in seiner Geistleiblichkeit, erschien und die erschütternde Wahrheit verkündete: "...morgen wirst du samt deinen Söhnen bei mir sein." Das hiess konkret, dass Saul und seine Söhne am folgenden Tage in der Schlacht gegen die Philister fallen sollten und ihre Seelen zu Samuel, d.h. ins Jenseits gelangen würden. Und wenn dies schon „morgen“ geschehen würde, dann bedeutet dies, dass ihre Seelen nicht bis zum Ende der Welt irgendwie im Grab schlummern, sondern sich beim Sterben in der Schlacht vom Leib lösen, dem Leib entfliehen und wie der Geist Samuels in die andere Welt einkehren würden. Diese Stelle bezeugt somit die Fortexistenz der Seele nach dem Tod sowohl für Samuel als auch für Saul und seine Söhne und damit für alle Menschen.

Freilich müssen wir bedenken, dass es für die Menschen, bevor Christus die Erlösung brachte und von Ausnahmen (Henoch, Elia u.a.) abgesehen, noch keine Auferstehung zum Leben im Reiche Gottes gab. Die Tore des Himmels waren noch verschlossen. Die Seelen der Abgeschiedenen gelangten nach dem Tod in die "Scheol“, in das Totenreich, in die äräz zalmawät, das "Land der Todesschatten", wie es Jesaja (9,2) wörtlich nennt, in das „unterirdische Land“ bzw. ins „Land der Tiefen“, wie es bei Ezechiel (31,14; 26,20) heisst oder „ins Land der Finsternis und des Dunkels, ins Land so düster wie die schwarze Nacht, ins Dunkel, wo kein Mittag ist“ (Hiob 10,21f). Dort waren die abgeschiedenen Seelen fern von Gott unter der Macht des Todes. Das war - trotz gerechter Abstufungen, um die man schon damals wusste, denn man konnte auch in die unterste Scheol (z.B. Jes 14,15) gelangen - in seiner schrecklichen Gottesferne die Hölle! Darum fürchteten die Menschen damals den Tod - mit Recht! So beweist auch das Wissen der Propheten und Weisheitslehrer um die Scheol die Erkenntnis von der Postexistenz der Seele nach dem Tod bereits im Alten Testament.

Doch gab es auch schon die Hoffnung, dass Gott aus dem Totenreich erlösen werde. So heisst es z.B. in 1. Sam 2,6: "Der Herr tötet und macht lebendig, er stösst in die Grube und führt herauf." In Jes 26,19 weitet sich die Hoffnung auf die Auferstehung aus dem Reich des Todes zu neuem Leben auf Erden über das Gottesvolk hinaus ins Universale mit der Verheissung: "Deine Toten werden leben, werden auferstehen...und die Erde wird die Schatten wieder gebären." Ja, der Herr wird den Tod vernichten auf ewig (Jes 25,8)!
Aufschlussreich ist auch die Stelle Hiob 19,25-27, wo Hiob bekennt: „Ich weiss, dass mein Erlöser lebt…Nachdem meine Haut derart geschunden, und bar meines Leibes werde ich Gott schauen… meine Augen werden ihn schauen…“ Auch hier ist die im Alten Testament vermeintlich durchgehende Vorstellung von der Leib-Seele-Einheit nicht vorhanden. Denn Hiob ist gewiss, dass er auch ohne irdischen Leib – d.h. nach dem Tod – Gott schauen werde, und zwar mit eigenen Augen, nämlich mit denen des Geistleibes. An dieser wichtigen Stelle wird der Tod sogar im Blick auf den göttlichen Erlöser als Erlösung verstanden! Diese Hoffnung gab es!
So wird auch im Buch der Weisheit Salomonis Kap. 2 und 3 das Leben nach dem Tod auf Grund der Unsterblichkeit der Seele mit der Hoffnung auf Auferstehung verbunden und sogar zum Thema längerer Ausführungen gemacht. Dass mit dem Tod alles aus sei, wird als irrige Meinung der Gottlosen entlarvt! - Denn die Wahrheit sei: "Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Abbild seines eigensten Wesens gemacht. Aber durch den Neid des Teufels kam der Tod [die Trennung von Gott mit der irdischen Konsequenz des Sterbens] in die Welt, und es erfahren ihn alle, die jenem angehören. Doch die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, keine Qual kann sie berühren. In den Augen der Toren scheinen sie tot zu sein, ihr Hinschied gilt als ein Unglück, ihr Weggang von uns als Vernichtung, doch sie sind im Frieden...und der Herr wird ihr König sein in Ewigkeit."
Wenn aber nach dieser Erwartung die Gerechten nach dem Tod nicht ins Totenreich, sondern in den Schutz und Frieden Gottes gelangen und der Herr in Ewigkeit ihr König sein wird, dann bedeutet in dieser weisheitlichen Sicht Leben nach dem Tod für die Gerechten die Auferstehung! So wird auch in 2. Makk 7,36 die Erwartung ausgesprochen, dass für die Märtyrer nach kurzer Marter „ein ewiges Leben folgt“(ähnlich 2. Makk 7,9.11.14.23.29).
In Psalm 22 klingt deutlich die Gewissheit der allgemeinen Auferstehung aus dem Reich des Todes zum Leben unter Gottes Herrschaft an: "Vor ihm [dem Herrn] nur werden niederfallen alle, die in der Erde schlafen, vor ihm die Kniee beugen alle, die in den Staub hinabfuhren." (V. 30) Und in Dan 12,2f verbindet sich damit noch der Gedanke des Gerichtes: „Und viele von denen, die schlafen im Erdenstaube, werden erwachen, die einen zu ewigem Leben, die andern zu Schmach, zu unabsehbarer Abscheu. Die Weisen aber werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste und, die viele zur Gerechtigkeit geführt, wie die Sterne immer und ewig.“

Und wenn es in Ps 49,16 heisst: "Gott wird meine Seele erlösen aus der Gewalt der Unterwelt; denn er wird mich entrücken", dann fragt sich, wie denn diese Erlösung oder Entrückung aus der Unterwelt erfolgen wird? Jesaja schaut, dass beim Kommen des Messias über denen, die im “Lande der Todesschatten“ wohnen, ein Licht aufstrahlt (Jes 9,2). Nach Jes 42,6f wird Gott einen Erlöser senden, den er zum Bundesmittler für das Menschengeschlecht machen werde. Er wird die, welche in der Finsternis sitzen, aus dem Kerker herausführen, womit zweifellos die Scheol, das Totenreich, gemeint ist.
Und um welchen Preis wird dies dem Erlöser gelingen? – Er wird als leidender Gottesknecht sein Leben als Schuldopfer für uns alle dahingeben; und gerade dadurch wird er emporsteigen, hochragend und erhaben sein, lange leben und die Sache des Herrn, der Heilsplan, durch ihn zum Gelingen geführt werden (Jes 52,13 – 53,12). Und Sach 9,11 bezeugt: "Um deines Bundesblutes willen lasse ich auch deine Gefangenen frei aus der Grube, in der kein Wasser ist." Mit dieser "Grube, in der kein Wasser ist" ist mit dem Sinnbild des Grabes das Totenreich gemeint, in dem kein wahres Leben ist. Es geht also um die Toten, die im Totenreich gefangen sind, die erlöst werden sollen. Dafür aber muss der Erlöser einen sehr hohen Preis zahlen: sein eigenes Leben! Sein Blut wird das Lösegeld sein, durch das die Seelen der Menschen erlöst werden würden und der neue Bund des Heils mit Gott aufgerichtet werden sollte. Durch diese Erlösung sollten die dem Tod Verfallenen befreit werden zur Auferstehung zum Leben und Neuen Bund unter Gottes Herrschaft.

Diese Hoffnung des alten Gottesvolkes erfüllte sich, wie wir glauben, im Kommen Christi, von dem das Neue Testament berichtet, dem wir uns nun zuwenden wollen.

Die Sadduzäer, die weder an ein Leben nach dem Tod noch an eine Auferstehung glaubten, versuchten einmal, Jesus in die Enge zu treiben mit dem Beispiel einer Frau, die sieben Männer gehabt hatte. Wessen Frau - wollten sie von Jesus wissen - wäre sie nun bei der Auferstehung? - Er gab ihnen zur Antwort, sie irrten, da sie weder die heiligen Schriften wirklich verstünden noch die Kraft Gottes kennten. Die Auferstehung sei keine Rückkehr ins irdische Leben, sondern ins Reich Gottes, wo man nicht so heiratet wie auf dieser Welt. Vielmehr werde man sein wie die Engel Gottes. Wenn sie die heiligen Schriften sorgfältig studiert hätten, dann hätten sie doch lesen müssen, dass Gott sich dem Mose am Dornbusch als Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs offenbarte. Gott sei aber doch kein Gott von Toten, sondern von Lebendigen. Sie irrten sehr (Mk 12,18ff; Lk 20, 27-40; Mt 22,23ff)!
Damit wies Jesus ganz energisch die Meinung der Sadduzäer ab, mit dem Tod sei alles aus. Es gibt vielmehr ein Leben nach dem Tod für alle. Und im Gegensatz zu den Pharisäern zeigte Jesus: Auferstehung ist nicht Wiederbelebung des irdischen Leibes, der Totengebeine im Grab, nicht Rückkehr ins irdische Leben, sondern Rückkehr ins Vaterhaus, ins Reich Gottes! Und dort würden die, welche sich der Auferstehung, also der Rückkehr zu Gott, als würdig erweisen, sein wie die Engel. Sie werden somit zur grossen Familie der Kinder Gottes, des Vaters im Himmel, gehören. Damit erweist Jesus, dass er völlig unabhängig von zeitgenössischen Lehren und in kritischer Distanz zu damaligen religiösen Erwartungen und Weltbildern in überragender Vollmacht die Wahrheit offenbarte, Gottes Wort in nie gehörter Klarheit und Souveränität verkündete, so dass die Schriftgelehrten schon über den Zwölfjährigen im Tempel staunten und ein so grosser Prophet wie Johannes der Täufer meinte, er sei nicht würdig, ihm auch nur den Schuhriemen zu lösen (Joh 1,27)!

Wie wir uns das Leben nach dem Tod vor der Erlösung durch Christus vorstellen müssen, hat Jesus selbst kraft seiner überragenden Hellsichtigkeit sehr anschaulich gemacht am Beispiel zweier verstorbener Menschen, des reichen Mannes und des armen Lazarus (Lk 16, 19ff). Was geschah nach ihrem Tod? War alles aus? Ganz und gar nicht! Die Seele des armen, heimgesuchten und von Geschwüren geplagten Lazarus wurde von Engeln Gottes abgeholt und an den Ort des Totenreiches gebracht, wo sich der Geist Abrahams aufhielt, d.h. an denjenigen Ort in der jenseitigen Welt, wo Lazarus - vor der Erlösung durch Christus - am schönsten getröstet werden konnte. Die Seele des namenlosen reichen, aber an Liebe und Erbarmen so armen Mannes wurde hingegen nicht von Engeln abgeholt, sondern erwachte einfach an einem qualvollen Ort des Totenreiches, wo ihm für sein Leben Gerechtigkeit widerfuhr, was ihm durchaus bewusst wurde. Dort schaute er „von ferne“, aber ganz klar – denn in der geistigen Welt spielt Raum und Zeit nicht die Rolle wie auf Erden - den Lazarus bei Abraham und erkannte sofort, dass es diesem armen, geplagten Menschen nun viel besser ging als ihm, dem Reichen, der sich im Leben alles leisten konnte.
Anhand dieser drei Seelen im Totenreich lehrt uns Jesus nicht nur, dass es tatsächlich ein Leben nach dem Tod gibt, sondern auch wie unterschiedlich dies sein kann, und nebenbei, dass es auch ein Wiedersehen nach dem Abscheiden aus dieser Welt gibt. Wo und wie wir uns wiedersehen, das hängt offenbar von unserm Leben ab. So versprach Jesus ja auch den Jüngern, dass er sie wiedersehen werde (Joh 16,22). Und nachdem er das Erlösungswerk vollbracht hatte, hat er dies Versprechen als Auferstandener auch wahrgemacht, wie die Jünger bezeugen. Er gab ihnen damit schon hier auf Erden die Gewissheit, dass er sie auch dereinst in seinem Reich wiedersehen werde und wolle. Denn Christus will, dass die, welche an ihn glauben, die ihm dienen und nachfolgen, dort sind, wo er ist, in seiner Herrlichkeit (Joh 12,26; 14,3; 17,24). Darum ist Johannes gewiss: „Wir wissen, dass wir, wenn es offenbar geworden ist, ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1 Joh 3,2) So gibt es ein Wiedersehen, denn wir sind durch den Glauben an Christus – um mit Paulus zu sprechen – „nicht mehr Fremdlinge und Beisassen“, sondern „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“ (Eph 2,19) Dass es ein Wiedersehen mit uns vorangegangenen Mitmenschen gibt, wird heute von vielen, eindrücklichen Nahtoderlebnissen bestätigt.

Diese Verstorbenen befinden sich seit und auf Grund des Erlösungswerkes Christi, welches die entscheidende heilsgeschichtliche Wende für die ganze Welt und Menschheit und damit auch für das Leben nach dem Tod brachte, nicht im Totenreich. Denn Christus, der Sohn Gottes, wurde – wie Hebr 2,14f erklärt - Mensch, „damit er durch den Tod den zunichte machte, der die Macht über den Tod hat, das heisst: den Teufel, und alle die befreite, die durch Furcht vor dem Tod ihr ganzes Leben lang einer Knechtschaft verfallen waren.“ Christus hat uns alle teuer erkauft. Wir gehören nun grundsätzlich alle ihm. Somit ist der Tod verschlungen in den Sieg Christi. Nun ist der Tod uns der Eingang in das Leben oder - wie Luther sag - „die Pforte zum Leben“. Und das haben wir Gottes Gnade und Christus allein zu verdanken! Darum sind auch unsere Verstorbenen, auch wenn sie keine grossen Heiligen waren, keine Toten, mit denen wir keinen Kontakt haben sollen, sondern heimgekehrt zum Herrn. Sie leben in den verschiedenen „Wohnungen“ oder „Stätten“ oder Himmeln des Reiches Gottes, je nach dem, wie sie gelebt haben. Sie gehören zur grossen Gottesfamilie und sind uns nur dorthin vorausgegangen. Darum dürfen wir auch mit ihnen in Liebe und fürbittend verbunden bleiben, bis wir uns in der himmlischen Heimat wiedersehen dürfen. Manche bedürfen dieser Fürbitte sehr. Sie ist ein Licht für sie und Balsam. - Wir haben hier gerade in der reformierten Kirche noch erheblichen, spirituellen Nachholbedarf.
Und wenn wir unseren hochbetagten Lieben wieder begegnen, die auf Erden alt oder krank, behindert oder schrumpelig ausgesehen haben, werden wir erstaunt feststellen, wie ich es schon selbst wiederholt im Geiste erleben durfte, dass sie in ihrer Geistleiblichkeit gesund und schön und viel jünger aussehen als zuletzt auf Erden, wie dies auch in vielen Nahtoderlebnissen erfahren wurde. Denn es ist so, wie es schon der 103. Psalm Gott lobend bezeugt, dass er all unsere Sünden vergibt und alle unsere Gebrechen heilt, der unser Leben vom Verderben erlöst und uns krönt mit Gnade und Barmherzigkeit, der unsern Mund fröhlich macht und wir wieder jung werden wie die Adler (V.3-5), nämlich zeichenhaft schon hier, aber in Vollendung dort, wo wir wahrhaft daheim sind, beim Vater, wo wir sein werden wie die Engel! Und die sehen nicht alt aus!
Und wer gar schon hier auf Erden ein lebendiges Glied am Leibe Christi war, der wird es auch in der anderen, höheren, schöneren Welt sein. Nichts kann ihn von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserm Herrn, ist, trennen, auch nicht der Tod, das Sterben, wie Paulus bekennt (Rm 8,39). Wenn uns aber auch das Sterben nicht von Christus zu scheiden vermag, dann ist damit grundsätzlich die Erkenntnis vom Leben nach dem Tod und der Auferstehung zum Durchbruch gekommen und die Falsche Lehre vom Zwischenzustand erledigt.
Wer so lebendig mit Christus verbunden ist, der muss sich wahrhaftig nicht mehr vor dem Sterben fürchten, denn er wird leben, ob er gleich stürbe, und zwar schöner, glücklicher, freier leben als in dieser Welt und ohne Schmerzen, Sorgen, Ängste, Anfechtungen, Krankheit, Not und Tod! Wer schon in dieser Welt ein Licht war und viele zur Gerechtigkeit führte, der wird in den himmlischen Höhen strahlen wie die Sterne (Dan 12,3; Mt 5,14)! Von den grossen Überwindern, den Märtyrern, in deren Mund sich keine Lüge fand, ganz zu schweigen. Johannes auf Pathmos erschaute sie als schon Vollendete gewandet mit weissen Gewändern in der Gemeinschaft der Engel und in der Herrlichkeit beim Herrn (Off 7,9ff; 14,1-5)!
?Diese Herrlichkeit, diese strahlende Schönheit und Gottesebenbildlichkeit könnten wir natürlich gar nicht schauen und bewundern und Gott darüber preisen, wenn unsere Seele keine Geistleiblichkeit wie die Engel besässe. Auf diesen wichtigen Sachverhalt weist uns aber Paulus ausdrücklich hin, wenn er sagt: „Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistigen.“ (1 Kr 15,44) Der geistige wird auferweckt, Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben (V.44 und 50). Denn über den Geistleib der Seele hinaus können wir im Reiche Gottes ja nicht noch einen zweiten und zudem irdischen, vergänglichen Leib gebrauchen, der ja sowieso wieder zu Staub wird, d.h. in den Kreislauf der Natur eingeht.

Das hilft uns auch, den Unterschied von Leben nach dem Tod und Auferstehung etwas besser zu verstehen. Wir sahen: Leben nach dem Tod gibt es für alle Menschen aller Zeiten, auch schon vor dem Erlösungswerk Christi. Auferstehung, Rückkehr zu Gott, aber gibt es erst, seitdem Christus uns mit Gott versöhnt und für uns alle die Erlösung vollbracht hat und als Erster und Sieger aus dem Reich des Todes auferstanden ist und die Tore des Himmels wieder aufgetan hat. Ob wir aber an dieser Auferstehung Christi Anteil haben, hängt entscheidend von unserm Verhältnis zu Christus ab, vor allem von unserm Glauben an ihn als „die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11,25). Durch diesen Glauben findet ein Herrschaftswechsel statt aus dem Machtbereich der Welt, der Sünde, des Todes, der Finsternis, des Bösen heraus in den Machtbereich Christi, des Guten, des Lichtes, des Lebens, des Heils hinein (Rm 6). So ruft uns Christus in die Entscheidung. Wer sich von ihm abwendet, wendet sich vom Leben ab! Wer sich ihm aber zuwendet, und sei es noch in der letzten Stunde seines Erdenweges, der wendet sich dem wahren Leben zu.
Als Beispiel dafür kann man sich am besten die beiden Schächer am Kreuz zu beiden Seiten Jesu Christi vorstellen. Christus ist ja wie für uns alle so auch für diese beiden gestorben. Doch der eine wendete sich von Christus ab, er glaubte nicht an ihn als Messias und Gottessohn. Er verleugnete ihn. Daher wurde er nach seinem Tod auch von Christus 'verleugnet' (Lk 12,8f). Ihm blieben somit die Tore höherer Himmel des Reiches Gottes vorläufig verschlossen. Der andere Schächer aber wendete sich Christus im Glauben zu, in der Erkenntnis der eigenen Schuld und mit der demütigen Bitte: "Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst!", wie der ursprüngliche Text in Lk 23,42 lautet. Dieser Schächer glaubte also nicht nur, dass Jesus der Messias ist, sondern auch, dass er zu Unrecht gekreuzigt wurde und nach seinem Tod nicht nur leben, sondern in sein Königreich gelangen werde. Er glaubte also an Christi himmlisches Königreich! Das war ein bemerkenswerter Glaube! So gab Jesus ihm - dem Verbrecher! - den wunderbaren Trost: "Wahrlich, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein." (Lk 23,43)
Dieses Wort bezeugt ganz deutlich, dass Jesus nicht erst am Ostermorgen aus dem Grabe zum Leben gelangte, sondern dass er dem Geiste nach schon am Karfreitag im Paradiese war und dass dies auch für den Schächer galt! Denn Jesus sagte ja: "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein." Also gibt es ein Leben nach dem Tod für alle Menschen, für die guten wie für die bösen. Es fragt sich nur, ob wir nach dem Tode auch der Auferstehung zum Leben in den Höhen des Reiches Gottes gewürdigt werden. Und das hängt davon ab, wie wir hier gelebt haben, welche Gesinnung wir hatten, ob wir an Christus glaubten, ihm nachfolgten, unser Leben nach seinen Geboten ausrichteten, d.h. ob unser Denken und Handeln von der Liebe zu Gott und zum Nächsten bestimmt war. Denn es nützt nichts, wenn wir nur fromm beten, aber nicht danach handeln; nur „Herr! Herr!“ sagen, aber nicht tun, was er uns geboten hat (Mt 7,21). Es geht um einen lebendigen Glauben. In diesem Sinne sagte Christus: "Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und er wird nicht verurteilt, sondern er ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen." (Joh 5, 24)
Daran können wir auch erkennen, was auferstehen heisst, nämlich nicht, dass irgendwann einmal unser materieller, verwester Leib wiederbelebt wird, als wenn unsere Seele nicht einen Geistleib besässe, der allein der geistigen Welt des Reiches Gottes angemessen ist. Auferstehung besteht vielmehr darin, dass unser durch die Sünde toter Geist, der inwendige Mensch, durch den Glauben an Christus schon hier vom Tod zum Leben gelangt, der Sünde stirbt und mit Christus zu einem neuen Leben aufersteht (Rm 6,1ff), gleichsam neuerschaffen wird und täglich erneuert wird, bis die ursprüngliche Gottesebenbildlichkeit in Reinheit und Vollkommenheit wieder aufstrahlt. Die im 2. Jahrhundert v.Chr. zur Makkabäerzeit im Judentum aufgekommene, von den Pharisäern vertretene und dann immer wieder aufgewärmte Lehre von der Auferstehung des Fleisches, d.h. der allenfalls noch vorhandenen Totengebeine in den getünchten Gräbern, ist somit schon von Jesus kritisiert und als unrichtig überholt worden. Eine Theologie, die sich heilsmaterialistisch an die Totengebeine im Grab klammert, atmet den Gestank der Verwesung. Christliche Theologie klammert sich im Leben und im Sterben an den lebendigen Leib Christi und atmet den Duft des Lebens! Denn wahre Kirche ist Leib Christi.
Auferstehung ist also nicht Wiederbelebung von im Wald oder auf dem Meer verstreutem Urnenstaub oder von verwesenden Leichnamen, deren Atome schon längst in den Kreislauf der Natur eingegangen sind und neuem Leben dienen, sondern die Wiederbelebung des inwendigen Menschen, unserer Seele bzw. unseres Geistes durch die Verbindung mit Christus im Glauben. Jesus sagt kurz und klar: "Wer glaubt, hat ewiges Leben." (Joh 6, 47) Und wer ewiges Leben hat, ist auferstanden, in vorläufiger, immer neu zu bewährender Weise hier in diesem Leben und definitiv in Kraft und Herrlichkeit nach diesem Leben. Auferstehung ist somit nicht Rückkehr ins irdische Leben, in diese Welt der Vergänglichkeit, sondern Rückkehr ins ewige Leben, ins Reich Gottes, ins Haus des Vaters, in dem viele Wohnungen sind.
So hat Christus ja auch nicht das Sterben besiegt, denn er starb ja selbst am Kreuz, sondern den Tod! Das Sterben ist nur die Trennung unserer Seele vom Leib, den man ablegt wie ein altes Gewand. Sterben ist wie ein Entschlafen, ein Übergang, ein Erwachen in der anderen Welt. Es gehört wie die Geburt als etwas ganz Natürliches zu jedem Erdenleben. Der Tod aber ist die schuldhafte Trennung unserer Seele von Gott, der Quelle allen Lebens, und damit das eigentliche Grundübel dieser Welt. Darum hat Jesus am Kreuz nicht das Sterben, sondern den Tod, die Trennung von Gott, die Sünde, leidend überwunden und darauf in der Macht Gottes niederfahrend und kämpfend den Fürst des Todes besiegt, um ihm den „Hausrat“ zu rauben, wie Jesus sagt (Mk 3,17), d.h. die Erlösung für alle zu vollbringen. Dass er dies in Tat und Wahrheit vollbrachte, hat er den Jüngern (und damit uns allen) dadurch bewiesen, dass er, der Gekreuzigte, ihnen als der Lebendige erschien, als der auferstandene Fürst des Lebens, um ihnen als der Erste, der aus dem Reich des Todes zurückgekommen war, in immer neuen Erscheinungen die grösstmögliche Gewissheit zu geben, dass er lebt und wahrhaftig auferstanden ist und uns allen den Weg zum ewigen Leben im Reiche Gottes gebahnt hat!

Im Blick auf dieses Ziel seines Lebens und Auftrages auf Erden sprach er schon als Mensch voll Hoffnung und Glaubensgewissheit: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ (Joh 14,2) Was meinte er damit? Klar ist, dass Jesus hier von seinem himmlischen Vater sprach. Folglich ist auch das Haus seines himmlischen Vaters das Reich Gottes, das Himmelreich. Und was es mit den „Wohnungen“ im Hause Gottes auf sich hat, erklärt Jesus selbst, wenn er fortfährt: „Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten?“ Mit dem Hingehen, ist zweifellos die himmlische Heimkehr Jesu nach seinem definitiven Abscheiden von dieser Welt gemeint, und mit den ‚Wohnungen’ sind somit himmlische, jenseitige Stätten oder Sphären gemeint, welche Christus bereiten werde, wenn er nach der Erfüllung seiner Aufgabe auf Erden, dem Erlösungswerk, zum Vater im Himmel zurückgekehrt und erhöht sein wird. Danach werde er selbst kommen und die Jünger zu sich nehmen, nämlich dann, wenn für sie die Stunde der Heimkehr schlagen würde, damit sie da seien, wo er ist: im Hause des Vaters, im Himmelreich.
In diesem hochbedeutsamen Wort Christi kommt ganz klar die Wahrheit vom Leben nach dem Tod zum Ausdruck, und dass es bei diesem zukünftigen Leben entscheidend auf unser Verhältnis zu Christus ankommt. Er sagt dies Wort ja zu seinen Jüngern! Also zu Menschen, die bereit waren, ihr Kreuz auf sich zu nehmen, auf jenem schmalen Weg durch die enge Pforte Jesus nachzufolgen bis in den Tod. Es gibt im Reiche Gottes offenbar nicht nur viele, sondern auch sehr verschiedene „Wohnungen“, schöne, sehr schöne und weniger schöne, je nachdem wie wir gelebt haben. Auf jenem breiten, bequemen Weg durch die weite Pforte ins Verderben (Mt 7,13f) gelangt man offensichtlich zu nicht so schönen „Wohnungen“. Und – meint Jesus - da gäbe es Erste, Reiche, Mächtige in dieser Welt, welche die Allerletzten im Reiche Gottes wären; und umgekehrt Letzte, Geringste, Verachtetste in dieser Welt, die im Reiche Gottes hochangesehen wären und an erster Stelle stünden (Mk 10,31 Parr.)!
Wir müssen also davon ausgehen, dass es in der jenseitigen, himmlischen Welt verschiedene Stufen oder Himmel bis zur höchsten Herrlichkeit Gottes gibt. Darauf weist auch Paulus hin, wenn er von seiner Entrückung in den dritten Himmel bzw. das Paradies spricht. Entsprechend ist auch im Alten Testament das hebräische Wort für Himmel, schamajim, ein Pluralwort und bedeutet eigentlich „die Himmel“. Entsprechend heisst es in 2. Chr 6,18 dass „die Himmel, ja die Himmel der Himmel“ Gott nicht fassen können. Man wusste also schon im Alten Testament, dass die Himmel in sich noch gewisse Stufen aufweisen, was auch die bis zum Herrn hinauf reichende Himmelstreppe in Jakobs Traum in Bethel (1 Mose 28,12) bildlich zum Ausdruck bringt. Wie sagte C.F. Meyer? „Mit höhern Welten bringt uns unser Gang in einen leuchtenden Zusammenhang! Ein neues Leben ward uns aufgetan auf hellern Stufen nach durchlaufner Bahn.“

Kurz: Es ist nach dem grossen Meister und Lehrer des Gottesreiches Christus keine Frage, dass wir nach dem Abscheiden unserer Seele von unserm irdischen Leib weiterleben, denn den Leib kann man töten, die Seele aber nicht (Mt 10,28a), sondern für Jesus kommt es darauf an, wie wir weiterleben werden. Mit dem Beispiel vom reichen Mann und armen Lazarus oder dem Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lk 12,13ff) oder dem des schmalen und breiten Weges und immer wieder macht uns Jesus auf diesen wichtigen Sachverhalt aufmerksam: Keiner wird der Gerechtigkeit Gottes entgehen! Einjeder wird im persönlichen Gericht nach diesem Leben den Lohn bzw. die Strafe für seine Taten empfangen (Mt 12, 33-37; 13, 47-50; 18,21ff; 22,1-14; 24, 45-51; 25, 14-30.31-46; u.ö.).

Hier zeigt sich somit ein wesentlicher Unterschied zwischen den Nahtoderfahrungen und dem definitiven Sterben. Bei ersteren werden ja nicht nur, aber doch überwiegend sehr tröstliche, lichtvolle, friedvolle Erfahrungen gemacht. Besonders die Begegnung mit dem Lichtwesen, unserm Schutzengel, und seiner überwältigenden, bedingungslosen Liebe vermittelt ein Gefühl völligen Angenommenseins und überweltlichen Friedens, weshalb die Reanimierten oft gar nicht mehr in diese Welt zurückkehren möchten. Doch hat diese Erfahrung der göttlichen Liebe und des himmlischen Friedens nicht nur den Zweck, uns das Ziel und den hohen Sinn unseres Lebens zu zeigen, das Vertrauen in Gottes umfassende Liebe zu stärken, die Furcht vor dem Tod zu nehmen usw., sondern auch den, dass der, welcher sich in einer so lebensbedrohlichen, existentiellen Krise wie in einem Koma oder gar im Zustand des klinischen Todes befindet, Kraft von oben erhält, damit er diese Situation überhaupt überlebt, wenn er im Geiste an eine gewisse Grenze gelangt und eben die von Gott bestimmte Stunde des Abscheidens noch nicht gekommen ist.
Häufig wird dabei auch mit einer hohen Klarheit des Bewusstseins und des objektiven Urteilsvermögens eine Rückschau auf das bisherige Leben erlebt, die den Zweck hat, dem noch ausstehenden Leben einen tieferen, besseren Sinn zu geben, insbesondere die Beziehung zu den Mitmenschen ganz von der Gesinnung der Liebe erfüllt sein zu lassen. Wir erhalten damit die Chance, noch in diesem Leben so manches wieder gut und besser zu machen. Aber bei dieser Rückschau handelt es sich noch nicht um das definitive Gericht über das vergangene Erdenleben, weil das irdische Leben ja noch unabgeschlossen ist und wir nicht zweimal für dasselbe Leben gerichtet werden. Im Gericht müssen wir uns vor Gott für alles, was wir getan und gedacht haben, verantworten. Wir können dann nichts mehr an diesem Leben ändern und müssen die Konsequenzen unseres Denkens und unserer Werke tragen. Denn, wie auch Paulus lehrt: “Wir müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder empfange, je nachdem er im Leibe gehandelt hat, es sei gut oder böse." (2. Kr 5, 10) Dann – meint der Apostel - werden wir ernten, was wir im Leben gesät haben (Gl 6,7). Diese Ernte ist – das muss klar gesagt werden - für viele, die ohne Gottesglauben und ohne Liebe lebten (ähnlich wie der reiche Mann im Beispiel Jesu) oder die gar andere schädigten und sich schwer belasteten, keine freudige Erfahrung, vielmehr durchaus ent-täuschend, ja mit ernsten Konsequenzen einer Läuterung verbunden, die sehr hart sein kann. Darauf macht uns Jesus nachdrücklich aufmerksam. Und er wusste, von was er sprach, wenn er von "Heulen und Zähneknirschen" sprach. Diesen Aspekt vom Leben nach dem Tod sollten wir auf keinen Fall ausser Acht lassen oder verharmlosen, als wenn wir darüber besser Bescheid wüssten oder gar barmherziger wären als Jesus, der Sohn Gottes.
Andererseits hat das Gericht nach diesem Leben nicht den Sinn, uns auf ewig zu verdammen und zu quälen. Die Lehre von der ewigen Verdammnis macht Gott, der in seiner Vollkommenheit ja das Ziel der Schöpfung von vorneherein kennen musste, zu einem Gott, der das ewige Leiden, die unendlichen Qualen der meisten seiner Kinder von vorneherein plante! - Sie macht ihn zu einem Gott ewiger Rache, ewigen, erbarmungslosen, ungerechten, völlig unverhältnismässigen und sinnlosen Zornes; kurz: zu einem Supersadist! Sie verwechselt Gott, der Licht ist, in dem keine Finsternis ist (1 Joh 1,5), der die vollkommene Liebe und Gerechtigkeit in Person ist, mit dem Teufel und macht aus dem Evangelium, der Frohbotschaft, eine Drohbotschaft! Schrecken und Terror als Methode zur Beherrschung der Menschen kommen nicht von Gott, sondern sind recht eigentlich Ausgeburten der Hölle. Gewiss kann Gott strafen. Aber seine Strafe ist durch seine Gerechtigkeit und Güte begrenzt. Wenn wir uns beispielsweise mit unserm Gegner nicht versöhnt haben, solange wir mit ihm unterwegs sind auf Erden, werden wir vor den himmlischen Richter gestellt und dazu verurteilt, die Schuld bis zum letzten Heller abzuzahlen, wie Jesus lehrt (Mt 5,25f). Das ist eine ernste Sache, aber nicht unbegrenzt. Der letzte Heller ist diese wichtige Grenze, über die hinaus nicht gesühnt werden muss. Diese entscheidende Grenze hat man oft übersehen.
Grundsätzlich gilt: "Wen der Herr liebhat, den züchtigt er." (Hebr 12,6) Sein Strafen ist also Ausdruck der übergeordneten, umfassenden und vollkommenen Liebe und Gerechtigkeit Gottes. Sein Gericht hat göttlichen, guten Sinn. Gott richtet, ja, aber er richtet nicht hin, sondern er richtet auf! Denn er handelt an uns wie ein Arzt, der manchmal schmerzlich wehtun, z.B. operieren muss, aber nicht um uns unendlich zu quälen und zu verderben, sondern so schnell wie möglich zu heilen und zu retten. So ist ja auch Christus nicht nur oberster Richter in Gottes Reich, sondern ebenso unser Erlöser und Heiland, wie er auf der berühmten Engelssäule im Strassburger Münster höchst eindrücklich dargestellt ist. Er hat sein Leben und Blut für alle Menschen aller Zeiten gegeben und somit auch alle grundsätzlich erlöst. Wenn seine Erlösung nur einzelnen wenigen zugute käme, während die grosse Masse auf ewig verdammt würde, so wäre Christi Erlösungswerk eigentlich gescheitert. Das wäre ein gewaltiger Triumph für diesen Satan! Christus aber ist Sieger in Ewigkeit! Darauf können wir uns verlassen! Und darum gehört die Lehre von der ewigen Verdammnis, mit der man früher den Menschen die Hölle möglichst heiss machte und dadurch für das Gute, für Gott zu gewinnen hoffte, wahrhaftig auf den Müllhaufen der Geistes- respektive Theologiegeschichte, wie ich es in meinem Buch „Kehret zurück, ihr Menschenkinder“ exegetisch und systematisch mit aller wünschenswerten Gründlichkeit nachgewiesen habe.
Nicht das Gericht ist das Letzte, sondern das universale Heil, die Heimkehr und Versöhnung aller, wovon die Bibel vielfältig Zeugnis ablegt. Man denke nur an die Stelle Jes 45,23-24, wo Gott das Ziel seines Heilsplans mit einer dreifachen, unüberbietbaren Versicherung offenbart: "Ich habe bei mir selbst geschworen, aus meinem Munde ist Wahrheit ausgegangen, ein Wort, das nicht rückgängig wird: Mir wird sich beugen jedes Knie, mir Treue schwören jede Zunge und sprechen: Nur in dem Herrn ist Heil und Stärke. Zu ihm werden kommen und sich schämen alle, die wider ihn zürnten." Worauf Paulus antwortet, dass Christus herrschen muss, bis ihm alle Feinde unterworfen sind - auch der letzte und grösste. „Dann wird auch der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allen.“ (1 Kr 15,25-28) Das wird nach dem Heilsplan Gottes das universale Heil sein, die Wiederherstellung der Vollgestalt der Königsherrschaft Christi.
Das bedeutet Hoffnung für einen jeden und den allerletzten! Denn Gottes Liebe ist unendlich viel grösser als auch unsere grösste Sünde. Darum sollten wir uns nicht mehr vor dem Sterben fürchten, sondern auf das Leben im Reiche Gottes freuen wie Bonhoeffer, der im Gefängnis (!) vom Sterben als dem „höchsten Fest auf dem Wege zur ewigen Freiheit“ sprach. Unser Trost, unsere Hoffnung, die Brücke dorthin, der Weg, das Tor zu dieser Freiheit, Seligkeit und Herrlichkeit ist Christus, der Fürst des Lebens. Er spricht zu uns allen: „Wo ich bin, da sollt auch ihr sein.“ Denn “in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“